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AGNES UND SEINE BRÜDER

R: Oskar Roehler

Es ist ein bizarres Brüdertrio, das Regisseur Oskar Roehler (DIE UNBERÜHRBARE, ALTER AFFE ANGST) in seinem neuen Film versammelt: Ein sexbesessener Bibliothekar, der sein Glück als Spanner und in Selbsthilfegruppen für Sexsüchtige sucht. Ein grüner Politiker, der verbissen für das europäische Dosenpfand kämpft, während ihm daheim Frau und Sohn entgleiten. Und schließlich Martin, ein Transsexueller, der sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hat und sich nun Agnes nennt, in Rotlichtbars tanzt und seiner amerikanischen Liebe nachträumt. Die drei verbindet vor allem eins: Der über allen thronende autoritäre Vater, ein Waffennarr mit wallender, grauer Mähne. Jedes der Kinder hat seinen eigenen Weg gefunden, an ihm zu verzweifeln, ohne von ihm loszukommen. Welches Trauma jedoch echt und welches eingebildet ist, bleibt offen. Klar ist, und das bestätigt Roehler in jedem Interview: Diese egomane Eltern-Generation hat Narben bei ihren Kindern hinterlassen. Der 44-jährige Regisseur erzählt dabei schlau und sublim – auch von sich.
Roehler verwebt drei Geschichten zu einem unglaublichen, tragikomischen Männerbild und einem deutschen Gesellschaftsporträt. Zu dem bis in die Nebenrollen hinein hervorragend besetzten Film ließ er sich von verschiedenen Lese-, Lebens- und Kinoerfahrungen inspirieren: AMERICAN BEAUTY, Franzens Roman „Die Korrekturen”, seinem Onkel, seinem Opa und Fassbinders Film IN EINEM JAHR MIT 13 MONDEN, der die Geschichte eines Transsexuellen erzählt. Doch geht es Roehler nicht spezifisch um Transsexuelle, sondern vielmehr um die Radikalität einer Liebe und um das scheinbar Unmögliche, das ein Mensch dafür auf sich nimmt. Zwar hat Roehler ein Faible für extreme Gefühle – doch er interessiert sich weder für Psychologie und Ursachenforschung noch für Weltschmerz, und das macht den Film so schillernd und unberechenbar. Bei den Treffen mit dem Vater wird das Thema Vergangenheit gemieden, der schöne Schein gewahrt. Es zählt die Beschreibung der Seelenzustände der Hauptfiguren, allerdings wird sie mittels Parodie und Satire auf die Spitze getrieben, was die Drastik der Konflikte zusätzlich unterstreicht.
(nach: Marianne Wellershoff; Peter Zander; FAZ 10.10.04; SZ 13.10.04; www.programmkino.de)
„Böse, bitter, over the top – dabei gelassen und überaus relaxed ist dieser Film. Man spürt das göttliche Gelächter des Regisseurs aus dem Hintergrund. (...) Weil Agnes und seine Brüder richtig gut beobachtet sind (allein schon die verschiedenen Häuser und Bungalows der Figuren aufs prägnanteste die Tristesse der alten Bundesrepublik spiegeln: das verschmockte Flair der 70er-Jahre), ist der Film jederzeit mehr, als nur eine private Geschichte. Vielmehr kommen einem in den besten Momenten des Films Romane von Updike, Begley, Eugenides und Franzen in den Sinn, und Roehler beweist einmal mehr, dass er zu den besten deutschen Regisseuren gehört. (...) Ein Film, wie man ihn aus Deutschland zu selten sieht, exzentrisch, voller Frische und Witz. Drastisch, voller Mut zum Extrem.” (Rüdiger Suchsland)

Deutschland 2004; Regie und Buch: Oskar Roehler; Kamera: Carl F. Koschnick; Juliane Lorenz; Musik: Martin Todsharow; DarstellerInnen: Martin Weiß (Agnes), Moritz Bleibtreu (Hans-Jörg), Herbert Knaup (Werner), Katja Riemann (Sine), Vadim Glowna (Günther), Susan Anbeh (Desiree) u.a.; (35mm; 1:2,35; Farbe; 1:2,35; Dolby SRD; 115min).