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LE MÉPRIS

DIE VERACHTUNG

R: Jean-Luc Godard

Vordergründig wird vom Scheitern einer Ehe erzählt: Während der Dreharbeiten macht der Produzent der Frau des Drehbuchautors eindeutige Avancen, denen dieser nicht vehement genug entgegentritt.
Regisseur Fritz Lang verfilmt für den amerikanischen Produzenten Jeremy Prokosch Homers „Odyssee”. Die beiden geraten in Streit. Der junge und mittellose Drehbuchautor Paul Javal (Michel Piccoli) soll das Drehbuch nach den Wünschen Prokoschs publikumswirksam umschreiben. Javals Frau Camille (Brigitte Bardot) ist von diesem Auftrag nicht begeistert. Die anfängliche Enttäuschung über die Käuflichkeit ihres Ehemannes steigert sich in Verachtung. Paul scheint angesichts Prokoschs unverhohlener Annäherungsversuche ihr gegenüber vollkommen ungerührt, mehr noch, er scheint Prokosch sogar zu ermutigen. Zu spät entschließt sich Javal, das Drehbuch doch nicht umzuschreiben. Sein leiser Protest kann Camille nicht mehr umstimmen, sie verlässt ihn.
„LE MÉPRIS ist ein einfacher Film ohne Geheimnisse, ein aristotelischer Film des äußeren Scheins, der in 149 Einstellungen beweist, dass im Kino wie im Leben nichts Geheimnisvolles ist, nichts was es zu erläutern gäbe, man braucht nur zu leben und zu filmen.”
„Der Roman von Moravia ist einer jener üblichen und hübschen Romane, wie man sie am Bahnhofskiosk ersteht, voller klassischer und veralteter Gefühle. (...) Aber mit dieser Art von Romanen dreht man oft schöne Filme.” (Jean-Luc Godard)
„Das Kino schafft für den Blick eine Welt nach unseren Wünschen.” (André Bazin).
„LE MÉPRIS ist die Geschichte dieser Welt.” (Jean-Luc Godard)
”Jean-Luc Godards Filmbilder sind Ikonen des 20. Jahrhunderts, geliebte Bilder, die man so wenig versteht, wie alles, dem man verfallen ist: Momente der Emanzipation und der Erregung, der Zärtlichkeit und des Schocks. Sie sind Kult und Kunst, Pop und Politik, ferne Erinnerung und Nahaufnahme, unverschämt erotisch und doch niemals obszön.” (Der Tagesspiegel)


„Die Verachtung” von Jean-Luc Godard:
Doppelbödig, so schön und sonnendurchflutet wie kein anderer seiner Filme


Jean-Luc Godards Kino besteht zu einem großen Teil aus verfilmter Filmkritik, und dafür hat er wohl kein prägnanteres Bild gefunden als die Anfangssequenz von „Le Mépris”. In einer einzigen langen Einstellung (die natürlich eine Verbeugung vor Orson Welles ist) sehen wir eine Kamerafahrt (wie in Welles „Touch of Evil”). Allerdings sehen wir bei Godard tatsächlich die Fahrt und nicht ihr Ergebnis, denn unsere Kamera schaut auf eine Kamera, die gerade den langsamen Gang einer jungen Frau aufnimmt.
So doppelbödig ist jede Einstellung in diesem Film, der an der Oberfläche Godards „einziges Zugeständnis an das Mainstream-Filmemachen“ (so Armond White) zu sein scheint. Die Filmproduzenten Carlo Ponti und Joseph E. Levine gaben ihm 1963 den Auftrag, Alberto Moravias Erzählung „Il disprezzo“ als Cinemascope-Produktion mit den Stars Brigitte Bardot und Michel Piccoli zu verfilmen. Zum Cinemascope-Format gibt Fritz Lang im Film (und natürlich in Cinemascope) gleich die vernichtende Kritik mit, es sei „am besten für Eisenbahnzüge und Schlangen geeignet.“ Und mit den Einstellungen von Brigitte Bardot waren die Produzenten schließlich so unzufrieden, dass sie Godard zwangen, noch zwei Nacktszenen mit ihr nachzudrehen, in denen man ihren Hintern zu sehen bekommt. Godard selber lässt den Superstar jener Zeit lieber Obszönitäten in die Kamera sagen oder Szenen aus seiner Ehe nachspielen.
Auf einer Ebene erzählt der Film von der Verachtung, die sich in Camille (Bardot) entwickelt, als sie erlebt, wie ihr Ehemann Paul (Piccoli), ein Drehbuchautor, sich von einem amerikanischen Filmproduzenten (Jack Palance) kaufen lässt, und wie er zulässt, dass dieser sich ihr aufdrängt. Godard ist aber die zweite Ebene viel wichtiger, in der es um das Filmprojekt geht: Homers Odyssee. Der Regisseur Fritz Lang spielt sich selbst als den Filmkünstler, der sich gegen die Banalisierung des klassischen Epos wehrt, und Godard zeichnet von ihm vielleicht das einzige ungebrochen respektvolle und liebevolle Porträt seines ganzen Filmwerkes (er selber spielt Langs Regieassistenten).
Der Produzent (Jack Palance) wird dagegen als bissige Karikatur von Godards eigenem Produzenten gezeigt. Dabei ist Godard oft ganz untypisch direkt und komisch, etwa wenn Palance in Diskussionen plötzlich seine angelesenen Weisheiten aus einem winzigen Notizbuch vorträgt. Godard hat also alles, was ihn beim Machen dieses Films beschäftigte, von seinen eigenen Beziehungsproblemen bis zum Ärger mit den Geldgebern, in den Film gepackt. Und so ist „Le Mepris“ vielleicht der radikalste „Film im Film“.
Das Wunderbare daran ist aber, wie leicht und unangestrengt sich all das zusammenfügt. So schön, so einfach, poetisch, traurig und sonnendurchflutet sieht kein anderer von Godards Filmen aus. Wirklich genießen kann man ihn deshalb nur im Kino und so ist diese Wiederaufführung (zum ersten Mal in der Originalfassung mit Untertiteln) sehr zu begrüßen.
(Wilfried Hippen, taz Bremen)


1963 holt Jean-Luc Godard Fritz Lang als Darsteller eines Regisseurs für seinen Film „Le Mépris“. Wider Erwarten mag Lang den Improvisateur Godard; Es gefällt ihm, seine Dialoge selbst zu erfinden. Lang spricht von dem „Nouveau Vague“, ein Irrtum, der Sinn macht: Das neue Undefinierbare. Lang inszeniert die „Odyssee“, Jack Palance spielt einen Produzenten, Michel Piccoli einen Autor, Brigitte Bardot dessen Frau. Drehort ist eine Architektur-Monomanie, die von Fritz Lang stammen könnte: die Villa von Curzio Malaparte auf einem Felsvorsprung über Capri. Lang, in dessen Filmen das Meer so gut wie nie vorkommt – Ausnahmen: „Moonfleet“ (1955) und „Harakiri“ – bewegt sich hier am Rande aller Diagonalen und Vertikalen.
Ein ziegelroter Bunker am Ende der Welt, das Dach, halb Freitreppe, halb Terrasse, eine „Topografie männlicher Kreativität“ (Werckmeister), „mein Porträt in Stein“ (Malaparte), „triste, dura, severa“. Wenn die Brandung gegen den Fels donnert, zittert das Haus. Der vereinzelte Einzelne, der sich verrannt hat an den äußersten Punkt, wo er auf die Gesellschaft und die Masse, auf die Geschichte und die Natur aus schrägen Winkeln seinen Blick wirft. Eine Geschichte um Kunst und Geld, um Liebe und Verrat, um Inszenierung und Selbstinszenierung, um Godard, Pirandello und Lang, um Aufklärung und ihre Dialektik. „Il faut souffrir“, sagt Lang einmal. Wenders nannte ihn seinen verpassten Vater. Lang reviewed by Godard. „Oft ist einem etwas fremd, weil es einem zu nah ist“, schreibt Wenders in einem Nachruf auf Lang.
(http://www.epd.de/film/2001/8lang.htm)


Fritz Lang spielt Fritz Lang, der auf Capri einen Film über Odysseus dreht, dessen sichtbar werdende Teile tatsächlich Fritz Lang gedreht hat, in Cinemascope und Farbe. Jean-Luc Godard spielt Jean-Luc Godard. Jack Palance spielt einen Hollywood-Produzenten, für den Langs Film „ins Stocken geraten“ ist und der sich benimmt wie Jack Palance. Brigitte Bardot erinnert an B. B., Michel Piccoli an Michel Piccoli, an Godard und an Dean Martin in Minellis „Some Came Running“, der nie seinen Hut abzunehmen plegt. Die Vorlage: Alberto Moravias Roman „Il disprezzo“. „Ein vulgärer und hübscher Bahnhofsroman, voll klassischer, altmodischer Gefühle trotz der Modernität der Gegebenheiten. Mit dieser Art von Literatur dreht man oft die schönsten Filme“. Zum Beispiel einen Film über die Verachtung, die denen gilt, die sich im und fürs Kinogeschäft prostituieren, auf dem „Markt, wo die Lügen gekauft werden“. Oder ein Melodram, das sich monumental kalt gibt und in dem die Personen ihr Undurchschaubarsein wie eine Oberfläche, eine Kleidung der Kamera präsentieren. Godard filmt, erstmals mit Millionenbudget. Das Ergebnis: opulente Askese. Die breitesten Bilder in Cinemascope. Ein Schwenk von Malapartes Haus der Treppen übers blaueste mediterrane Azur. Am Beginn eine gefilmte Filmkamera. Am Ende: der Tod, „der keine Lösung ist”, das Weiterfilmen. Eine Totale aus Himmel und Meer. Blau in Blau. Godards Stimme: „Silence!“
(aus: Österreichisches Filmmuseum; Oktober 1998)


„Die modernen Menschen und die alten Götter – (...) dies wirkt mehr wie eine eigens arrangierte, denn als eine bedeutungshaltige Parallele. Und sie ist wohl besonders dadurch geschwunden, daß der Film, wie man ihn hierzulande sieht, keine Szenen aus Fritz Langs Odysseus enthält, die nach Godards Idee in seinem Film sich hätten ausnehmen sollen wie Szenen von Eisenstein in einem Film von Rouch. Nur Statuen sind geblieben. Athene und Poseidon, die Beschützerin und der Widersacher von Odysseus, gipsern, angemalt und etwas verloren. Aber Godard liebt wohl die alten Götter, wie er jenen liebt, den er als ihren Vertreter erscheinen läßt, den alten, weisen Fritz Lang. Der emigriert ist und sich erinnert, wie man bei dem Wort Kultur nicht wie Prokosch das Scheckbuch, sondern den Revolver zog, Fritz Lang, dessen RANCHO NOTORIOUS Camille und Paul so gefallen hat, der aber M viel lieber mag, der nach Odysseus ,etwas sehr Schönes‘ machen will, der viel schweigt, der Dante, Hölderlin und Brecht zitiert und auch alle übrigen Sätze vorträgt, als wären es Zitate von Fritz Lang. Es ist ein sehr vielversprechendes Spiel (...), man möchte manches erhoffen davon, wenn es einmal intensiver, überlegter und produktiver betrieben wird als dies bei Godard jetzt der Fall ist. Die Weise des Zitierens, die einen so freundlich stimmt, die den Betrachter aufs Schönste veranlaßt, sich beständig umzustellen, immer wieder eine andere Denkhaltung einzunehmen - die Weise des Zitierens sollte die Blicke nicht trüben für die Dürftigkeit des Zitierens. Denn mit dem Hölderlin etwa, der laut Godard keine Bedeutungen gesucht habe, da ist es eben so eine Sache. Daß Hölderlin keine Bedeutungen gesucht habe, wie beispielsweise Leo Krell sie haben will, mit dessen Literaturgeschichte seit Jahren an Höheren Schulen die Liebe zur Literatur bekämpft wird, darüber ist nicht zu reden. Auch darüber kann man sich einigen, daß besser als ein ruinöses und schiefes Verhältnis, bei Krell und Prokosch, immer noch ein so völlig unbefangen-ahnungsloses ist wie bei Godard. Es fragt sich nur, ob Ahnungslosigkeit wirklich jene Alternative ist, als die sie in LE MÉPRIS erscheint. So ist LE MÉPRIS nicht der Film über Brigitte Bardot, über Mißverständnisse, über Fritz Lang, über Hölderlin, Odysseus und das Lieben, der es sein könnte, sondern fast nur ein Film über Godard. Seinem Romantisieren fehlt, um noch einmal Friedrich von Hardenberg zu zitieren, die beste Pointe: ,Verwandlung des Fremden in ein Eigenes, Zueignung ist also das unaufhörliche Geschäft des Geistes.“
(Helmut Färber in „Filmkritik“, 1965)

Frankreich/Italien 1963; Regie: Jean-Luc Godard, nach einem Buch von Alberto Moravia; Kamera: Raoul Coutard; Musik: Georges Delerue; DarstellerInnen: Brigitte Bardot (Camille Javal), Michel Piccoli (Paul Javal), Jack Palance (Jeremy Prokosch), Fritz Lang ( als er selbst), Giorgia Moll (Francesca Vanini) u.a.; (35mm; 1:2,35; Farbe; 105min; französische ORGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


  
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