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Fr 29.07.2005 Open Air Kino im Zeughaus

LES TRIPLETTES DE BELLEVILLE

DAS GROSSE RENNEN VON BELLVILLE

R: Sylvain Chomet / OmU


Ein Radrennfahrer wird während der Tour de France gekidnappt und nach Amerika entführt: Das ist nicht der Plot eines Thrillers, sondern der eines ebenso verschrobenen wie virtuosen Animationsfilms aus der Feder des Franzosen Sylvain Chomet.
Champion ist ein kleiner melancholischer Junge, der von seiner Großmutter, Madame Souza, adoptiert wurde. Als Madame Souza seine Begeisterung für den Radsport entdeckt, lässt sie Champion ein hartes Training absolvieren. – Die Jahre vergehen. Champion ist ein Rad-As geworden und nimmt an der Tour de France teil. Doch während des Rennens wird er von zwei mysteriösen Männern in Schwarz entführt. Madame Souza und ihr treuer Hund Bruno machen sich auf die Suche nach ihm.
Ihre Nachforschungen führen sie auf die andere Seite des Ozeans bis zu einer Riesenstadt namens Belleville. Hier begegnen sie den „Tripplettes von Belleville“, exzentrischen Musicalstars der Dreißigerjahre, die Madame Souza und Bruno unter ihre Fittiche nehmen. Dank Brunos Spürsinn nehmen sie die Fährte von Champion auf. Doch um ihn zu befreien, müssen sie sich mit einem mächtigen Gegner anlegen: der französischen Mafia, die mit dem entführten Radprofi teuflische Pläne verfolgt.
Wer Zeichentrickfilme mag und einmal abseits der altbekannten Weiden von Disney grasen möchte, der ist bei diesem französischen Meisterwerk gut aufgehoben. LES TRIPLETTES DE BELLEVILLE ist ein burlesker Leckerbissen voller detailreicher Hintergründe und überspitzter Charakterisierungen, ein Comic-Strip für Kinofans, die subtilen Humor lieben. (nach: Presseheft; www.lestriplettesdebelleville.com)
„In liebevoll nostalgischen Bildern entfesselt Regisseur Sylvain Chomet ein humorvolles Comic-Abenteuer, nimmt altbekannte Klischees aufs Korn und überzeichnet die Trickfilm-Charaktere. Nicht unbedingt ein Film für das ganz junge Publikum, aber eine echte Alternative für diejenigen, denen die Werke der Disney-Schmiede zu weichgespült erscheinen.“ (Stuttgarter Zeitung)
„Es ist die Summe aller Eindrücke, die bei diesem abendfüllenden Animationsfilm mit Hilfe neuester 3D-Techniken verblüfft. Zurecht konkurrierte BELLEVILLE bei der Oscar-Vergabe mit FINDET NEMO um den besten Animationsfilm. Schade, dass der Underdog dem großen Fisch nicht die Show gestohlen hat. Verdient hätte er es.“ (Thomas Volkmann)
„Ohne Zweifel einer der schönsten und originellsten Zeichentrick-filme der letzten Jahre.“ (Andreas Maurer)
„Wenn Jacques Tati, dem Chomet hier immer mal wieder Reverenz erweist, jemals Zeichentrickfilme gedreht hätte – so in etwa würden sie aussehen!“ (Frank Geissler)

Frankreich/Kanada/Belgien 2002; Regie, Buch, Storyboard, Graphik-Design: Sylvain Chomet; Art Director: Evgeni Tomov; Musik: Benoît Charest; (35mm; 1:1,66; Farbe; Dolby SRD; 80min; französische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Sa 30.07.2005 Open Air Kino im Zeughaus

BEFORE SUNSET

R: Richard Linklater / OmU


Neun Jahre sind vergangen, seit in Richard Linklaters BEFORE SUNRISE die Pariser Studentin Céline und der amerikanische Interrailer Jesse in Wien den letzten Tag ihrer Jugend und die erste Nacht des Erwachsen-seins erlebten. Zwei junge Menschen in einer fremden Stadt, entflammt für eine Nacht und von der Idee, die Liebe zu prüfen, um sich genau ein halbes Jahr später am gleichen Ort wiederzutreffen.
Neun Jahre sind seither vergangen, im wirklichen wie im erfundenen Leben, und diesmal ist Jesse in Paris, um in der Buchhandlung „Shakespeare & Company“ seinen Bestseller vorzustellen, der von jener Nacht in Wien handelt. Und genau in dem Moment, in dem er die letzte Journalisten-Frage beantwortet, weil er wieder zum Flughafen muss, sieht er zwischen den Regalen Céline stehen: neun Jahre später und fast „neunmal” so schön.
Die Versuchsanordnung ist also dieselbe: ein Mann, eine Frau, eine Stadt und kaum eine Filmlänge Zeit, ehe der Abschied droht. Entscheidend anders ist, dass die beiden über ihre Erinnerungen reden, die identisch sind mit denen des Zuschauers an BEFORE SUNRISE. Er ist also Schriftsteller geworden, sie Umweltschützerin, er hat Frau und Kind, sie einen Freund, man trinkt einen Kaffee, man spaziert durchs Quartier, die Seine hinauf, redet über damals und heute – und insbesondere über die Frage, wie das Leben heute aussähe, wenn sie sich damals tatsächlich getroffen hätten. (nach: Presseheft; FAZ, 11.2.2004)
„Wien bei Nacht, das war Romantik, diese Romantik haben die beiden gegen Lebenserfahrung getauscht. Oft scheinen die Dialoge improvisiert, das macht sie besonders lebhaft und authentisch und liegt wohl an der Liebe der Darsteller zu ihren Figuren. Nur drei Wochen dauerten die Dreharbeiten, und in dieser kurzen Zeit entstand ein wunderbar kluger Film, so menschlich, so charmant, so quirlig, so federleicht, so wahrhaftig. Ein Film, mitten aus dem Leben, mitten ins Herz.“
(Christina Bednarz)
„Die Mühen der routinierten Illusionslosigkeit stehen hier gegen das Ideal romantischer Liebe, und die Leistung dieses Films besteht darin, diesem Konflikt größte Dringlichkeit zu verleihen. Es geht, emotional gesehen, um das große Ganze, gewiss um viel mehr als das Aufköcheln einer alten Romanze.“ (Daniela Pogade)
„BEFORE SUNSET ist ein kleiner Film über große Fragen, denn es geht darum, was von der Liebe bleibt und wie das Leben so spielt.“ (FAZ)
„Dieser Film, der aus nichts besteht als aus Dialog und Straßenszenen und dessen Gegenstand nicht substantieller ist als der Schaum eines Traums, dieser Film, der fast nur in der Vorstellung existiert, ist der schönste und klügste weit und breit.“ (Frankfurter Rundschau)

USA 2003; Regie: Richard Linklater; Buch: Richard Linklater, Ethan Hawke, Julie Delpy; Kamera: Lee Daniel; DarstellerInnen: Julie Delpy (Céline), Ethan Hawke (Jesse), Vernon Dobtcheff (Buchshop Leiter), Louise Lemoine Torres (Journalist), Rodolphe Pauly, Marianne Plasteig u.a.; (35mm; 1:1,85; Farbe; 80min; englische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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So 31.07.2005 Open Air Kino im Zeughaus

LE PAPILLON

DER SCHMETTERLING

R: Philippe Muyl / OmU


Julien ist Schmetterlings-Sammler. Eines Tages bricht er auf, um eine Isabelle zu suchen, einen herrlichen Nachtfalter, ebenso schön wie selten. Er freut sich auf eine wunderbare Bergwanderung durch tiefe Wälder. Aber er hat die Rechnung ohne Elsa gemacht, das achtjährige Nachbarmädchen, das beschlossen hat, die Reise heimlich mitzumachen. Nur zu gern würde Julien seinen blinden Passagier wieder loswerden, aber bei Elsas Mutter geht niemand ans Telefon. Also machen sie sich auf den Weg, der alte Sonderling und Elsa, die ihm unbekümmert Löcher in den Bauch fragt, immer auf der Suche nach der geheimnisvollen Isabelle.
Ein alter Mann, der zusammen mit einem kleinen Mädchen auf Schmetterlingsjagd geht. Das ist ein Stoff, der normalerweise nicht gerade die Massen in die Kinos lockt. Und doch ist dieser kleine, äußerst charmante Film in Frankreich zum Überraschungserfolg avanciert und konnte über eine Million Besucher verzeichnen.
Philippe Muyl: „Diesen beiden Wesen fehlt es an Liebe. Bei ihm ist es eine verlorene Liebe, die seines Sohnes, bei ihr eine noch nicht gefundene, die ihrer Mutter. (…) Ich sage, es ist ein Film fürs Leben! Man kann ihn in der Familie ansehen. Ich fände es schön, wenn die Großeltern mit ihren Enkeln hingingen, oder Eltern mit ihren Kindern. Es ist ein friedlicher Film, ein Film, der die Seele erfrischt!”
LE PAPILLON ist Erzählkino, das von ehrlichen Gefühlen lebt und auf Effekte verzichten kann; dazu Schauspielkino, das sich auf seine beiden Hauptdarsteller konzentriert: Michel Serrault, der sich zurücknimmt und sein Geheimnis erst spät preisgibt, und Claire Bouanich, die sich mit ihrem frechen Charme in die Herzen spielt. (nach: www.filmladen.at; www.koolfilm.de)
„Wie aus einer häßlichen Raupe über das Verpuppen ein Schmetterling entsteht und seine ganze Schönheit entfaltet, ist in einer sehenswerten Großaufnahme eingefangen. Das Prinzip der Metamorphose ist das Thema in Philippe Muyls klassisch erzählter Geschichte, die von Menschen handelt, deren Leben festgefahren ist und die nur widerwillig bereit sind, etwas daran zu ändern – bis sie von einem kleinen Naseweis dazu verführt werden.” (Erwin Heberling)
„Dieses moderne Märchen lebt von dem wunderbar knorrigen Michel Serrault und dem hinreißenden, sehr selbstbewussten kleinen Mädchen Claire Bouanich. Es ist ein Märchen für Stadtmenschen jeden Alters, besonders natürlich für kleine Mädchen und ihre hoffentlich etwas wunderlichen Großväter. Denn was kann man sich als Kind mehr wünschen, als einen Großvater, durch den man eine geheimnisvolle Welt entdecken kann.” (www.br-online.de)
„DER SCHMETTERLING ist ein Meisterwerk. Ein Meisterwerk der Sinne, der Poesie, der Humanität, der Seele – und der großartigen Schauspielkunst: Wobei diese kleine, rothaarige, sommersprossige Claire Bouanich dem grossen Michel Serrault nicht nur absolut ebenbürtig ist, sondern ihm manchmal sogar buchstäblich die Show stiehlt!” (Deutschlandfunk)

Frankreich 2002; Regie und Buch: Philippe Muyl; Kamera: Nicolas Herdt; Musik: Nicolas Errera; DarstellerInnen: Michel Serrault (Julien), Claire Bouanich (Elsa), Nade Dieu (Isabelle), Francoise Michaud (Bedienung im Café), Helene Hily (Concierge) u.a.; (35mm; 1:1,85; Farbe; Dolby SRD; 85min; DEUTSCH SYNCHRONISIERTE FASSUNG und französische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Mo 01.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

ALLES AUF ZUCKER

R: Dani Levy


„Ich stehe bis zum Hals in Scheiße, aber der Ausblick ist gut“, tröstet sich Jaeckie Zucker, alias Jakob Zuckermann. Der Zocker und ehemalige DDR-Starsportreporter, der im Berlin nach der Wende sein Dasein als Billardspieler und Buchhalter in einem Bordell fristet, hat kein Glück mehr – weder im Spiel noch in der Liebe. Einen Haufen Schulden hat er am Hals und dann auch noch über Nacht seine jüdische Verwandtschaft. Mit dem jüdischen „Club“ hat Jaeckie Zucker seit 1961 nichts mehr am Hut. Damals rettete sich seine Mutter mit dem Erstgeborenen Samuel vor dem Mauerbau nach Frankfurt am Main und Jaeckie blieb allein zurück. Jackie selbst ist ungefähr so jüdisch wie ein dreiarmiger Leuchter, sein Bruder hingegen ein Orthodoxer, und ausgerechnet die beiden sollen sich jetzt am Grab der Mutter versöhnen – so verlangt es das (Erbe verheißende) Testament der guten Mamme.
„Der jüdische Witz ist heiter hingenommene Trauer über die Gegensätze dieser Welt“, schreibt Carlo Schmid. Eine deutsche Komödie, die sich über den jüdischen Humor definiert, gab es schon lange nicht mehr. Barbara Buhl vom WDR Fernsehspiel war von diesem Thema schon seit einiger Zeit angetan. Die Idee wurde durch eine Anregung von Paul Spiegel, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, bekräftigt. Dani Levys hat sie umgesetzt und erzählt in seiner Komödie über eine jüdische Familie der Gegenwart so einiges über die Gegensätze der Welt. (nach: www.programmkino.de; www.jfw.at; www.taz.de )
Dani Levy: „Juden können mit sich schonungslos umgehen, politisch unkorrekt, selbstironisch. Jüdischer Humor betrachtet Menschen liebevoll, ist frech ohne dabei in die Klamotte abzugleiten. Und: Der jüdische Witz nährt sich aus der psychologischen Kenntnis des Menschen, das finde ich schön.“
„60 Jahre nach dem Holocaust wird es allerhöchste Zeit, dass eine Komödie über eine jüdische Familie produziert wurde.“ (Sandra Vogel)

Deutschland 2004; Regie: Dani Levy; Buch: Dani Levy, Holger Franke; Kamera: Charly F. Koschnik; Musik: Niki Reiser; DarstellerInnen: Henry Hübchen (Jaecki Zucker), Hannelore Elsner (Marlene), Udo Samel (Samuel), Golda Tencer (Golda), Steffen Groth (Thomas), Anja Franke (Jana), Sebastian Blomberg (Joshua), Elena Uhlig (Lilly), Rolf Hoppe (Rabbi Ginsberg), Inga Busch (Irene) u.a.; (35mm; 1:1,85; Farbe; Dolby SRD; 90min).


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Di 02.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

NAMIBIA CROSSINGS

R: Peter Liechti / OmU


Der Film ist die Reise durch ein Land von archaischer Schönheit und voller bizarrer Gegensätze – stetes Echo auf die Polyphonie der seelischen Landschaften, gebildet aus den Hochs und Tiefs des Ensembles „Hambana Sound Company“ – 12 Musiker und Sängerinnen aus Namibia, Zimbabwe, Angola, der Schweiz und Russland gehen zusammen auf Tournee. 12 verschiedene Träume unterwegs in einem Land, das sich – genauso wie das frisch gegründete Ensemble – von Grund auf neu erfinden muss: Namibia, ehemals Deutsch-Südwestafrika. Die gemeinsame Suche nach den tieferen Quellen von Musik wird mehr und mehr zur Grenzerfahrung jedes einzelnen, vor allem durch die Begegnung mit den lokalen Musikgruppen in den abgelegenen Provinzen – euphorische, traurige, heftige Begegnungen.

„NAMIBIA CROSSINGS erzählt eine wahre Geschichte: zwölf Musiker kommen zusammen – ihre Idee ist es, die kulturellen Lasten fallen zu lassen und zu den Wurzeln der Musik zurückzugelangen. Voll Enthusiasmus machen sie sich auf den Weg. Sie durchqueren Namibia, diesen afrikanischen Staat, der kaum geheilt ist von den Wunden der Kolonisation und der Apartheid, diese Ansammlung von Wüstenplateaus, wo Nomaden leben mit Aids, Deutsche, die in Nostalgie erstarrt sind, und würdevolle Elefanten. Sie treffen einheimische Musiker und tauschen Rhythmen und Harmonien.
„Die Weltmusik stößt an ihre Grenzen. Die Musiker haben zu unterschiedliche Ambitionen und Charaktere. Angst um Einmischung und die ‚Grenzen der Toleranz’ prägen das Geschehen. Statt einer Erfolgsgeschichte filmt Peter Liechti den bitter-süßen Zerfall einer naiven Fata Morgana, die sich am Ende als ein neokolonialistisches Unterfangen erweist. Die Wirklichkeit ist komplexer als die Träume eines kleinen Jungen oder eines Staates.“ (l’Hébdo, Antoine Duplan)
Peter Liechti: „Ist Wehmut dasselbe wie Sehnsucht? Beides sind schöne Gefühle, und beide tun weh. Vielleicht ist Wehmut der deutsche Begriff für den ‚Blues’. (...) Das sanfte Aufgeben einer Utopie; Abschied von der Erinnerung an eine Zeit, in der noch alles hätte besser werden können.“
„Peter Liechti versuchte einen Traum wahr zu machen mit all seinen Höhen und Tiefen. Aus dem Traum erwacht, wünscht man sich ihn fortzusetzen. Jenes Gefühl stellt sich am Ende von NAMIBIA CROSSINGS ein. Irgendwie ist der Film eine Befreiung von allem.“ (Helmut Groschup)
„Liechtis Roadmovie befragt – über Landschaftsaufnahmen, Aufenthalte bei indigenen Völkern, aber auch über den Off-Kommentar – die eigene Haltung gegenüber dem Kontinent, die Sehnsucht nach dem anderen. Die Utopie des Musikprojekts bleibt indes uneinholbar – Spannungen unter den Künstlern treten auf, die Instrumente erklingen immer öfter solo, und die Reise zerfällt in Momente – genau diese Realität macht NAMIBIA CROSSINGS aber so aufschlußreich wie aufrichtig!“
(Dominik Kamalzadeh, Der Standard)
„Musikalische Sequenzen on- und offscreen, wunderschöne Landschaftsaufnahmen und der tagebuchartige Kommentar Liechtis offenbaren einen differenzierten Blick auf ein Projekt, dessen Ausgangslage zum Romantisieren verführen könnte. Doch in diese Falle ist Liechti noch nie getappt: Sein halb ironischer Kommentar leitet auch in NAMIBIA CROSSINGS souverän durch die verschiedenen Etappen dieses musikalischen Roadmovies, von der Hauptstadt Windhoek zur Küstenstadt Lüderitz.“ (Laura Daniel, Schweizer Filmindex)
Namibia ist ein Land polarster Gegensätze: Deutsche Städtchen und Bierstuben mit schwarzen Kellnerinnen am Rand der Namib-Wüste; im Norden ein Wild-Reservat und zehntausende von schwarzen Wanderarbeitern, die in den Uranminen und Diamantenfeldern des Südwestens arbeiten; dem Alkohol verfallene, aus den Nationalpärken vertriebene Bushmen, die an Tankstellen ihre Jagdwaffen verkaufen und Herrero-Frauen, die in wilhelminischen Sonntagskleidern auf dem Markt herumspazieren.

Ein Film im Cinematograph-Filmverleih mit Unterstützung des „Bundesamt für Kultur“ (Bern).

Schweiz 2004; Regie: Peter Liechti; Kamera: Peter Guyer und Peter Liechti; Schnitt: Loredana Cristelli; Ton: Dieter Meyer; Kommentar: Peter Liechti; Sprecher: Hanspeter Mueller-Drossaart; Sound Design: Christian Beusch; Musik: Hambana Sound Company and Friends, Bernahrd Göttert; (35mm – von Video übertragen; 1:1,85; Farbe; Dolby SR; 92min; mehrsprachige ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Mi 03.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

KITCHEN STORIES

R: Bent Hamer / OmU


Schweden in den 50er Jahren. Die Technik soll Einzug in die privaten Haushalte halten. Um den Werbefeldzug für die moderne Küche einleiten zu können, werden zuvor vom schwedischen Forschungsinstitut für Heim und Haushalt eingehende Studien zum Verhalten der Hausfrau in ihrer Küche vorgenommen. Am Ende der Versuchsreihe steht fest: Um ihrer Familie jeden Tag das Essen servieren zu können, läuft die schwedische Hausfrau jedes Jahr eine Strecke, die der zwischen Schweden und dem Kongo gleicht. Wenn man die Küche jedoch nach einem bestimmten Muster anordnen würde, dann müsste sie nur noch bis nach Norditalien laufen, um allen Küchenpflichten nachzugehen. Von diesem Erfolg beflügelt, sucht das Institut nun nach einer neuen Herausforderung. Diesmal sollen verlässliche Daten über eine weitere Zielgruppe eingeholt werden: Den männlichen Junggesellen. Zu diesem Zweck werden 18 Beobachter in das kleine Dorf Landstad in Norwegen geschickt, um an freiwilligen Probanden deren Küchenroutine zu studieren.

Norwegen 2003; Regie: Bent Hamer; (35mm; 1:1,85; Farbe; Dolby SRD; 95min; Originalfassung mit deutschen Untertiteln).


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Do 04.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

LES CHORISTES

DIE KINDER DES MONSIEUR MATHIEU

R: Christophe Barratier / OmU


Im Jahre 1949 nimmt der arbeitslose Musiklehrer Clément Mathieu eine Anstellung als Aufseher in einem Internat für schwererziehbare Kinder an. Mit den repressiven Erziehungsmethoden des Direktors Rachin können die Kinder kaum im Zaum gehalten werden. Clément Mathieu versucht, die Kinder mit der Magie des Gesangs vertraut zu machen. Die Spottgesänge der Kinder bringen ihn auf die Idee, einen Chor zu gründen. Im jungen Pierre, der als besonders schwierig gilt, entdeckt Mathieu ein musikalisches Talent.
Christophe Barratier: „Ich dachte vor allem an meine eigene Kindheit in einem Musiker-Elternhaus. Dann erinnerte ich mich an diesen alten Film (Anm.: DER NACHTIGALLEN-KÄFIG, 1945), den ich sehr viel intelligenter fand als alles, was mir eingefallen war. Es ging um einen Aufseher, der das Leben der Kinder durch Musik, durch Gesang verändert. Ich sage nicht, Musik verfeinert die Sitten. Wenn man Kriminellen acht Stunden am Tag Mozart vorspielt, ändert das nichts. Ich sage nur, im Leben ist nichts verloren. Man kann eine Begabung fördern, wenn es jemanden gibt, der dieses Talent entdeckt. Ich habe die meisten Darsteller aus sozial schwachen Familien gewählt und sie nach ihren Gesichtern ausgewählt, die manchmal sehr harte Züge aufweisen. Einige Eltern rieten mir sogar ab, mit ihren Kindern zu filmen. Aber der Dreh gefiel ihnen und zum ersten Mal machte ihnen Arbeit Spaß. Nach ein paar Monaten konnten sie sogar die Musik leiden.“

Frankreich/Schweiz 2004; Regie: Christophe Barratier; Buch: Christophe Barratier, Philippe Lopes-Curval; Kamera: Dominique Gentil, Carlo Varini; DarstellerInnen: Gérard Jugnot (Clément Mathieu), François Berléand (Rachin), Jean-Baptiste Maunier (Pierre als Kind), Jacques Perrin (Pierre als Erwachsener), Kad Merad (Chabert), Marie Bunel (Violette Morhange), Philippe Du Janerand (Langlois), Jean-Paul Bonnaire (Maxence), Maxence Perrin (Pépinot als Kind), Didier Flamand (Pépinot als Erwachsener), Grégory Gatignol (Mondain), Cyril Bernicot (Le Querrec) u.a.; (35mm; 1:2,35; Farbe, Dolby SRD; französische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Fr 05.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

THE VIRGIN SUICIDES

R: Sofia Coppola / OmU


Wenn man morgens im Sonnenlicht aufwacht und die Augen sich nicht gewöhnen mögen an die gleißende Helle, erscheint die Welt schöner als sie eigentlich ist – gerade weil sie sich jeder Bestimmbarkeit entzieht. So ähnlich verhält es sich mit Sofia Coppolas erstem Film: Alles bleibt ein wenig zu hell in Erinnerung, wie in Zeitlupe, so als habe man alle Zeit der Welt gehabt, um die Dinge zu betrachten; doch entziehen sie sich jeder Erklärung, und genau darin besteht ihr Reiz. Damit hat Sofia Coppola, die Tochter von Francis Ford Coppola, eine wunderschöne Umsetzung gewählt für die rätselhafte Geschichte von fünf undurchschaubaren Schwestern, die sich alle das Leben nehmen, und einer Gruppe von Jungen, die wissen möchten warum.
Wie in Eugenides’ Romanvorlage ist einer dieser Jungen der Erzähler, der nachträglich diese unfassbare Geschichte aus den 70er Jahren in eine sinnhaltige Chronik zu ordnen versucht. War der Freitod der Mädchen ein Akt der Solidarität mit der jüngsten Schwester, die zuerst ging? Sind die Schwestern seelisch erstickt, weil ihre gestrengen Eltern (grandios: Kathleen Turner und James Woods) sie ins Haus sperrten? Am Ende ist jede Erklärung unzulänglich, bleibt nichts übrig als eine paar Souvenirs und eine Liste von Fakten, die nur auf sich selbst verweisen. Die Mädchen, meist in hellen Gewändern, die sie schwebend erscheinen lassen, wie Traumgestalten, bleiben ein Rätsel. (nach: NZZ 18.9.00; SZ 17.11.00)
„Sofia Coppola rettet auf bemerkenswerte Weise die Welt des Heranwachsens aus ihrer üblichen filmischen Sphäre der American Pies und der Witze übers Furzen, indem sie die melancholischen Elemente enthüllt, die normalerweise vom Teenager-Genre übersehen werden: Verzweiflung, Sehnsucht, Hingabe und jenen schmerzlichen Moment am Ende der Jugend, wenn die Hoffnungen für die Zukunft in Sehnsucht nach der Vergangenheit umschlagen. Ihre herausragendste Leistung ist es jedoch, über die bewährten Genrekonventionen hinauszugehen und eine romantische, bisweilen mythische Kraft nicht nur zu behaupten, sondern auch neu zu entdecken.” (Jason Sanders)
„Das tönt nach schwerblütigem Requiem und ist bei aller Wehmut doch wunderbar verspielt und öfter sogar komisch ... Das Wort vom bittersüßen Humor war selten so passend wie hier.” (NZZ 18.9.00)

USA 1999; Regie: Sofia Coppola; Buch: Sofia Coppola, nach dem Roman von Jeffrey Eugenides; Kamera: Edward Lachman; Musik: Air; DarstellerInnen: James Woods (Mr. Lisbon), Kathleen Turner (Mrs. Lisbon), Kirsten Dunst (Lux Lisbon), Josh Hartnett (Trip Fontaine), Hannah Hall (Cecilia Lisbon) u.a.; (35mm; 1:1,66; Farbe; Dolby SRD; 96min; englische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Sa 06.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

DIE HÖHLE DES GELBEN HUNDES

R: Byambasuren Davaa / OmU


Bei einem ihrer Spaziergänge findet das mongolische Nomadenmädchen Nansa in einer Felsenhöhle einen kleinen Hund, der ihr treuer Begleiter. Doch eines Tages verliert sie in der Steppe seine Spur.
Eine Entführung in eine fremde Welt voller Spiritualität und Magie. Im mongolischen Glauben an den ewigen Kreislauf des Lebens wird ein Hund als Mensch wiedergeboren. Zugleich gewährt der Film einen authentischen Einblick in den Alltag einer traditionellen mongolischen Nomadenfamilie. Doch auch in der Mongolei hat die moderne Zivilisation ihre Fühler ausgestreckt. „Die Geschichte vom weinenden Kamel”-Regisseurin Davaa porträtiert hier eine Gesellschaft im Wandel – und nimmt die Zuschauer mit auf eine meditative Reise zu den kulturellen und spirituellen Ursprüngen ihres Volkes.

Deutschland 2004; Regie: Byambasuren Davaa; 90min; OmU


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So 07.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

DER MANN OHNE VERGANGENHEIT

MIES VAILLA MENNEISYYTTÄ

R: Aki Kaurismäki / OmU


Eigentlich wollte der finnische Regisseur Aki Kaurismäki keinen Film mehr drehen. Aber jetzt hat er nach vierjähriger Pause in Cannes mit THE MAN WITHOUT A PAST (DER MANN OHNE VERGANGENHEIT) für eine beglückende Überraschung gesorgt und sich den Preis der Internationalen Jury sowie den Preis der Ökumenischen Jury geholt.
Am Bahnhof entsteigt abends einem Zug ein Mann (Markku Paltola) mit einem Koffer, der sich nach einer Weile am Rand eines Parks auf einer Bank ausruht. Im Schlaf wird er von Rowdys überfallen, halbtot geschlagen und ausgeraubt. Blutüberströmt schleppt er sich in die nahe liegende Bahnhoftoilette, wo seine Einlieferung ins Spital veranlasst wird. Dort wird er bald aufgegeben und für tot erklärt. Aber plötzlich richtet sich der Mann, der nicht nur seine Papiere, sondern auch die Erinnerung und das Gedächtnis verloren hat, wie einst Lazarus in seinem Bett auf, verlässt das Spital und findet sich bei Obdachlosen wieder. Bei der Heilsarmee erhält er zunächst warme Suppe, später auch Kleider, und lernt die Heilsarmee-Offizierin Irma (Kati Outinen) kennen.
(aus: www.medientipp.ch)
„ ‚Die Welt an sich und das Dasein ist sehr traurig´ sagt Aki Kaurismäki. Und weil das so ist, hat er beschlossen, seine Zuschauer mit einem Happy End zu belohnen. Das ist sehr freundlich von dem bärbeißigen Finnen, der sein Handy während der Pressekonferenz in den Mülleimer wirft, weil es überraschend klingelt. ‚Sonst ruft auch nie jemand an´, meint er grimmig, ‚warum dann jetzt?´ und als die versammelten Journalisten erheitert reagieren, fügt er hinzu: ‚So eine Reaktion erwartet man doch von mir, oder?´
So einen Film haben wir auch wieder von ihm erwartet. Er enthält all das, was schon DAS MÄDCHEN AUS DER STREICHHOLZFABRIK vor zwölf Jahren zu etwas ganz Besonderem machte. Kaurismäki ist ein Freund des finnischen Proletariats und in fast all seinen Filmen porträtiert er dessen Vertreter. Aber er ist ganz weit entfernt von dem sozialkritischen Realismus etwa eines Ken Loach. Seine präzisen, geschliffenen Charaktere bewegen sich in einer künstlichen, sehr atmosphärischen Welt. Dafür sorgen auch die Ausleuchtung, die Kadrage und die langen Einstellungen des Kameramannes Timo Salminen, der schon seit über zwanzig Jahren gemeinsam Filme mit dem Finnen realisiert.
Kaurismäkis Anliegen ist es, möglichst ökonomisch und effektiv zu arbeiten. Jede Szene wird gleich gedreht, es gibt kein Proben mit Schauspielern, ‚das Drehen ist die Probe´ meint Kaurismäki. Auch darüber, wie ein Charakter sein soll, diskutiert er lieber nach als vor dem Dreh. Doch für die Schauspieler scheint diese ungewöhnliche Arbeitsweise kein Problem zu sein. Kati Outinen – das Mädchen aus der Streichholzfabrik – hat in insgesamt zehn Filmen von Kaurismäki mitgewirkt.
In DER MANN OHNE VERGANGENHEIT darf sie ein Engel in doppeltem Sinne sein: Sie ist es, die dem Namenlosen Mann ohne Vergangenheit die Suppe in der Heilsarmee einschenkt, und sie ist es, die ihm die Liebe zeigt.” (www.arte-tv.com)
„In einem gewohnt ökonomisch-lakonischen Märchen von der Liebe erzählt Aki Kaurismäki die wundersame Geschichte von einem Mann ohne Gedächtnis, der in einem zweiten Leben das Glück in der Heilsarmee findet. Kinematografische Perfektion vom heiligen Trinker aus dem Norden.” (www.zisch.ch)
„Aki Kaurismäki zählt mit Pedro Almodóvar oder Nanni Moretti zu jenen Fortführern des europäischen Autorenkinos, die auch im Zeitalter der internationalen Ko-Produktionen ihre unverwechselbare Handschrift behalten haben. Kaurismäki hat sich als kritischer Chronist der finnischen Gesellschaft einen Namen gemacht. Sein Milieu ist das der klassischen Moderne, seine Geschichten spielen im Spannungsfeld von Arbeit und Ausbeutung, Macht und Korruption, Bürgertum und Proletariat.”
(www.tagblatt.ch)
„Mein Wunsch an Gott: ein Film nach einem Drehbuch von Aki Kaurismäki, unter der Regie von Takeshi Kitano und mit David Lynch als Produzent. (…) Oder dann doch zumindest: Möge dieser Finne noch möglichst lange saufen und über Festivalbühnen torkeln, damit Kino weiterhin Sinn macht!“ (Daniel Stapfer)
Aki Kaurismäki: „Ein namenloser Mann kommt in eine Stadt und wird im erstbesten Moment zu Tode geschlagen. Hier beginnt das epische Drama, der Film oder sollten wir sagen der Traum eines einsamen Herzens mit leeren Taschen unter dem großen Himmel unseres Herrn oder sollten wir sagen unter den Vögeln. (…) Mein letzter Film war Schwarzweiß und stumm, was klar für meinen Geschäftssinn spricht. (...) Kompromissbereit wie ich bin, habe ich beschlossen, eine Kehrtwendung zu machen und diesen Film zu drehen, der jede Menge Dialoge plus eine Vielfalt von Farben aufweist – ganz zu schweigen von anderen kommerziellen Werten.”

Finnland/Deutschland/Frankreich 2002; Regie: Aki Kaurismäki; Kamera: Timo Salminen; Musik: Jouko Lumme, Tero Malmberg; DarstellerInnen: Markku Peltola (M), Kati Outinen (Irma), Annikki Tähti (Heilsarmee Shop-Manager), Juhani Niemelä (Nieminen), Kaija Pakarinen (Kaisa), Sakari Kuosmanen (Anttila), Outi Mäenpää (Bankangestellter), Pertti Sveholm (Polizeiinspektor), Aino Seppo (M\'s Frau) u.a.; (35mm; Farbe; 97min; Dolby SRD; finnische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN). Auszeichnungen: Grand Prix du Jury, Cannes 2002


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Mo 08.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

HERR LEHMANN

R: Leander Haußmann


Berlin, Herbst 1989: Herr Lehmann ist Barkeeper in Kreuzberg und lebt in einer übersichtlichen, kleinen Welt voller Philosophen, Künstler und Biertrinker. Ein beschauliches und schönes Leben. Doch dann, kurz vor seinem dreißigsten Geburtstag, durchbricht eine unvorhersehbare Störung nach der anderen seinen geliebten Alltagstrott. Ein aufdringlicher Hund, der angekündigte Besuch seiner Eltern, die schöne Köchin Katrin, sein bester Freund Karl und ein bis dato unbekannter Kristallweizen-Trinker sorgen für Unruhe.
Während sich im Ostteil der Stadt und in der ganzen DDR große Umbrüche ankündigen, hat Herr Lehmann alle Hände voll zu tun, die an ihn herangetragenen Herausforderungen zu bewältigen. Und so kommt der 9. November: Karl wird verrückt und die Mauer fällt und das auch noch an Herrn Lehmanns dreißigstem Geburtstag: „Und wenn schon, was soll das heißen, die Mauer ist offen.”
Mit „Herr Lehmann” gelang Sven Regener, Sänger, Texter und Trompeter der Berliner Band „Element of Crime”, vor zwei Jahren ein erfrischendes Romandebüt, das zum Kultbuch avancierte. Leander Haußmann, einst jüngster Theaterintendant Deutschlands und mit SONNENALLEE (1999) auch als Kinoregisseur erfolgreich, entschloss sich nach der Lektüre sofort, das Buch zu verfilmen: „Mit Herrn Lehmann habe ich einen der seltenen Charaktere gefunden, die man unbedingt zum Leben erwecken muss. Das war mir schon nach den ersten fünf Seiten des Buches klar.”
„Man hält den Atem an, man ist verblüfft, man lacht sich schief.” (Die Zeit über Sven Regeners Roman)
„HERR LEHMANN ist der lang erwartete zweite Film von SONNENALLEE-Regisseur Leander Haußmann, eine gelungene Adaption des Bestseller-Romans, ein authentisches Portrait der Kreuzberger Szene kurz vor dem Mauerfall.” (www.cinema-arthouse.de)

Deutschland 2003; Regie: Leander Haußmann; Buch: Sven Regener, nach seinem gleichnamigen Roman; Kamera: Frank Griebe; Musik: Anita Lane, Bauhaus, Cake, Calexico, Element of Crime, Violent Femmes, Residents, Westbam u.a.; DarstellerInnen: Christian Ulmen (Herr Lehmann), Katja Danowski (Katrin), Detlev Buck (Karl), Janek Rieke (Kristall-Rainer), Margit Bendokat (Lehmanns Mutter), Adam Oest (Lehmanns Vater) u.a.; (35mm; 1:2,35; Farbe; Dolby SRD; 105min).


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Di 09.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

LOST IN TRANSLATION

R: Sofia Coppola / OmU


Im noblen Park Hyatt Hotel in Tokio begegnen sich – an der Hotelbar – die beiden Amerikaner Bob und Charlotte. Er ein gemachter Schauspielstar, der für den Dreh eines lächerlichen Whiskey-Werbespots angereist ist, sie die junge Gattin eines gefragten Fotografen, der auf seinen Reisen nicht wirklich Verwendung für seine Frau hat. Bob und Charlotte sind verloren. Verloren in einer Stadt, deren Sprache sie nicht sprechen und deren Alltagsriten sie nicht begreifen. Hier, im Mikrokosmos ihres Hotels stellen sie fest, dass sie sich nicht nur in der Fremde sondern auch in einer deutlichen Lebenskrise befinden.
„Everyone wants to be found” weiß schon der Plakatslogan von LOST IN TRANSLATION zu suggerieren. Und tatsächlich haben sich hier zwei gefunden im gegenseitigen Einanderbrauchen, um der eigenen inneren Leere entfliehen zu können, zwei Seelenverwandte, die einander umkreisen, einander näher und näher und doch nie wirklich bis zum anderen kommen, während sie sich der Flüchtigkeit ihres gemeinsamen Glücks nur allzu bewusst sind.
Gemeinsam brechen die beiden schließlich aus dem sicheren Hafen ihres Hotels aus und erkunden die fremdartige Welt Japans. Tokyo erscheint wie eine Zauberwelt, hypermedialisiert, voller Spiegelungen, Displays, Leuchtreklamen und Virtual-Reality-Salons, in denen an Spielkonsolen angeschlossene Kids wilde Bewegungen vollführen. Diese exotische Fremde ist es auch, die für die erste Hälfte von LOST IN TRANSLATION der Ursprung des feinen und zielgenau treffenden Humors ist. Bereits der Titel des Films spielt mit der Erkenntnis, dass es in jeder Kultur und Sprache Dinge gibt, die sich nicht angemessen übersetzen lassen, die man als Außenstehender also gar nicht richtig verstehen kann. Und das ist auch nicht weiter tragisch, denn man kann immer noch Staunen – und Lachen.
Fast unmerklich versteckt Sofia Coppola die atmosphärische Kehrtwende zu einem ernsthaften Porträt der besonderen Beziehung zwischen Bob und Charlotte in einer Karaoke Szene, bei der man zuerst noch über den die Sex Pistols imitierenden Japaner lacht. Dann verlassen wir einen Film über Japan und betreten einen Film über zwei Menschen, die sehr ernsthaft über die Frage nachdenken, was es für sie tatsächlich noch geben kann. Und gleichzeitig wandelt sich der Ort, an dem alles anders ist, zu einem Ort, an dem alles anders sein kann, wo man einen gänzlich Fremden trifft und den Mut hat, sich diesem zu öffnen, eben weil er ein Fremder ist.
Wie bereits in THE VIRGIN SUICIDE erhöht Sofia Coppola den behutsamen Kitsch des Alltags auf unaufdringlich artifizielle Weise zur Schönheit des Films. Und auch hier steht das, was Englischsprachige mit „longing” bezeichnen, im Mittelpunkt: Sehnsucht – und damit verbunden die Unfähigkeit, sich zwischen Nähe und Distanz festlegen zu können. (nach: Viennale 03; www.evolver.at; www.filmszne.de; filmtagebuch.blogger.de)
Sofia Coppola: „Ich wollte zeigen, was ich an Tokio liebe, was ich bei einem Besuch dieser Stadt empfinde. Es geht um großartige, aber flüchtige Momente in unserem Leben. Sie sind nicht von Dauer, aber man erinnert sich daran, sie beeinflussen uns. Daran habe ich gedacht, darum genau ging es mir.”
„Getragen von seinen zwei gnadenlos brillant agierenden Hauptdarstellern, Sofia Coppolas eigenen ausgiebigen Erfahrungen als Japan-Reisende und ihrem unglaublich ausgeprägtem Sinn für Ästhetik ist LOST IN TRANSLATION ebenso komisch wie schmerzhaft ehrlich, ebenso schön wie faszinierend.” (F.-M. Helmke)
„Ein sehr, sehr großer Film, ein Film, das kann man einfach so sagen, der bleiben wird.” (Süddeutsche Zeitung)
„In der deutschen Synchronfassung des Films sind alle Zwischentöne dahin.” (Frankfurter Rundschau)

USA 2002; Regie und Buch: Sofia Coppola; Kamera: Lance Acord; Musik: Brian Reitzell; DarstellerInnen: Bill Murray (Bob Harris), Scarlett Johansson (Charlotte), Giovanni Ribisi (John), Anna Faris (Kelly), Fumihiro Hayashi (Charlie) u.a.; (35mm; 1:1,85; Farbe; Dolby SRD; 105min; englisch-japanische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN). Oscar-Nominierung 2004: Bester Film, Beste Regie, Bestes Drehbuch, Bester Hauptdarsteller


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Mi 10.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

KINSEY

R: Bill Condon / OmU


Der junge Kinsey wächst Anfang des letzten Jahrhunderts in New Jersey auf. Das Wissen über die Sexualität ist eine gefährliche Mischung aus Ignoranz, völliger Unkenntnis und Tabus. Kinseys eigener Vater wettert als Prediger gegen die Sünden der Moderne, allen voran den Reißverschluss, als gefährliches Instrument der Lasterhaftigkeit. Als es Kinsey gelingt mit ärztlicher Hilfe eigene sexuelle Probleme in seiner jungen Ehe zu lösen, fasst er einen folgenreichen Entschluss. Mit der gleichen Akribie, mit der er zuvor eine Millionen Wespen klassifiziert hat, untersucht er nun das Sexualverhalten der Amerikaner. Das Ergebnis sind zwei epochale Veröffentlichungen zum Sexualverhalten des Mannes (1949) und der Frau (1953). Bücher, die ihn weltberühmt machen, von denen aber vor allem das Buch über die weibliche Sexualität auch einen Sturm der Entrüstung in konservativen Kreisen Amerikas auslöst.
Vor allem nimmt der Film aufgrund seiner vielschichtigen Charakterporträts für sich ein: Da ist die hausbackene Ehefrau (Laura Linney), die gleichmütig Presserummel, Nachstellungen und auch die sexuellen Selbstexperimente ihres Ehemannes trägt und es sogar erträgt, dass er seine wissenschaftlichen Mitarbeiter zum Partnertausch anhält. Oder der Assistent Clyde Martin (Peter Sarsgaard), der Kinsey bei einer Exkursion in Chicagos Schwulenszene zur Männerliebe verführt. Und Liam Neeson spielt den faustischen Charakter mal linkisch, mal herrisch, schüchtern und selbstherrlich, vor allem aber von einem gnadenlosen Forscherdrang getrieben. Einmal interviewt er einen Perversen. Der Mann hatte Sex mit achtzehn Familienmitgliedern, zwanzig Tierarten und einem Dutzenden vorpubertären Jungen. Kinsey zückt begeistert den Bleistift.
(nach: programmkino.de, tagesspiegel.de)
Bill Condon: „Ich denke, dass uns die Koexistenz von sexueller Freiheitssuche und dem Wunsch nach einem so genannten normalen Leben bis heute definiert, aber noch nicht einmal in allen Ecken des Westens wirklich ausgelebt werden darf. Somit ist KINSEY kein nostalgischer Blick in die Vergangenheit, sondern stellt die Frage, wie frei wir selbst im Jahre 2005 tatsächlich unser Leben führen.“

USA 2004; Regie und Buch: Bill Condon; Kamera: Frederick Elmes; DarstellerInnen: Liam Neeson (Alfred Kinsey), Laura Linney (Clara McMillan), Chris O'Donnell (Wardell Pomeroy), Peter Sarsgaard (Clyde Martin), Timothy Hutton (Paul Gebhard) u.a.; (35mm; 1:2,35; Farbe; Dolby SRD; 119min; englische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Do 11.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

NATHALIE ...

NATHALIE – WEN LIEBST DU HEUTE NACHT?

R: Anne Fontaine / OmU


Bernard (Gérard Depardieu) und Catherine (Fanny Ardant) sind ein gut aussehendes und erfolgreiches Paar mittleren Alters. Das trügerische Ehe-Idyll zerbricht, als Catherine entdeckt, dass Bernard sie betrügt: immer wieder, schon seit Jahren. Schockiert und verletzt verfällt sie auf einen ungewöhnlichen Plan: In der Bar eines Bordells sucht sie nach einer Gespielin für ihren treulosen Ehemann, eine Art Undercover-Agentin in erotischer Mission. So hofft sie, heimlich an den Eskapaden ihres Mannes teilzuhaben, die Opferrolle abzuschütteln und die Kontrolle zurückzugewinnen. Ihre Wahl fällt auf Marlène (Emanuelle Béart), die auf ihre Anweisungen in die Rolle von Nathalie schlüpft.
Der Plan scheint aufzugehen. Fortan schildert Marlène alias Nathalie im Detail die sexuellen Begegnungen mit Bernard. Für Catherine eine schmerzhafte, aber heilsame Therapie. Doch schon bald ist nicht mehr klar, wer Regie führt in dieser Scharade. Mehr und mehr verfällt die reife Frau den erotischen Berichten ihrer Spionin. Und immer wieder verschieben sich die Tangenten des Beziehungsdreiecks, bis am Ende jeder nicht nur Betrogener sondern auch Betrüger ist.
Sex, Lust, Begehren, Erfüllung, Fantasie. Anne Fontaine gelingt mit NATALIE das Kunststück, Erotik durch Auslassungen zu inszenieren, prickelnder als durch die Action vor der Kamera. Alles wird so konsequent indirekt erzählt, dass man die drei Hauptakteure eigentlich niemals bei einer sexuellen Handlung sieht, die Luft und die Dialoge aber dennoch voller Erotik sind. (nach: www.concorde-film.de)
„Blond und brünett, jung und alt, lässig und verletzt: So gegensätzlich die beiden sind, so magisch ziehen sie sich an, und von der Spannung, dem Wettstreit lebt der Film. Ganz gezeigt wird das Verhältnis zwar nie, es bleibt beim Spiel der Anziehung und Abstoßung. Doch man spürt, dass hier die eigentliche Geschichte läuft, eine Geschichte von Abhängigkeit, Faszination, auch Eifersucht. Am Ende hat der traurige Ehemann das Spiel verloren. Nicht, weil seine Frau ihn verlässt, sondern weil sie ihn längst verlassen hat. Das Schlimmste ist die Untreue in Gedanken.“
(Christina Tilmann)
„Die voyeuristische Dimension dieses Films steckt fast ausschließlich im Reden und Hören. Anne Fontaine geht mit ihren Bildern längst nicht so weit wie mit ihren Dialogen und verzichtet konsequent darauf, Nathalies Erzählungen zu illustrieren. Die Regisseurin belässt es beim Schwebezustand, beim Spiel mit Vermutungen, das spannender ist als jede ausgereizte Bettszene: Was wirklich geschah zwischen Bernard und der gekauften Frau, spielt keine Rolle.“ (H. G. Pflaum)
„NATHALIE mag ein visuell domestizierter Film sein, bis in die von warmen Rottönen geprägte Farbgebung so entschlossen auf Stil bedacht wie das Milieu, in dem er sich bewegt. Anne Fontaine geht an Tabu-Grenzen, aber überschreitet sie nicht. Doch mit der Balance zwischen den Phantasien und der Wirklichkeit ihrer Figuren hält sie auch die eingangs aufgebaute erotische Spannung bis zum Finale durch. Dies ist eine Qualität, von der viele andere vorsätzlich erotische Filme nicht einmal träumen dürfen.“ (Süddeutsche Zeitung)

Frankreich 2004; Regie: Anne Fontaine; Buch: Jacques Fieschi; Kamera: Jean-Marc Fabre; Musik: Michael Nyman; DarstellerInnen: Fanny Ardant (Catherine), Emanuelle Béart (Marlene/Nathalie), Gérard Depardieu (Bernard) u.a.; (35mm; 1:2,35; Farbe; Dolby SRD; 105min; französische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Fr 12.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

FAR FROM HEAVEN

DEM HIMMEL SO FERN

R: Todd Haynes / OmU


Ein Traum aus Technicolor, eine perfekt komponierte Sinfonie aus herbstlichen Farben, Kostümen und Dekors, die Harmonie signalisieren und doch nur blitzblanke Oberfläche sind. Eine vermeintlich makellose amerikanische Familie, deren adrette Fassade zunehmend Risse bekommt und unter dem gesellschaftlichen Druck zerbirst. Todd Haynes, Regisseur von VELVET GOLDMINE (1998), einer opulent durchgestylten Hommage an den Glam-Rock der Siebzigerjahre, erzählt in FAR FROM HEAVEN vom Zerbrechen einer Musterehe mit den Mitteln des Fifties-Melodrams.
Todd Haynes: „Während die 50er-Jahre-Melodramen in Stil und Look alles andere als realistisch sind, ist doch ihre emotionale Wahrheit erschreckend präzise.” Folglich inszeniert Haynes ein subversives Melodram in der Tradition von Douglas Sirk, dessen WAS DER HIMMEL ERLAUBT (1955) – in dem eine Witwe unter dem Druck der Gesellschaft auf die Liebe zu ihrem jungen Gärtner verzichtet – als Vorlage dient. Haynes führt den damaligen Konformismus verschärft vor, indem er ein Idealpaar mit Themen konfrontiert, die im damaligen Kino tabu waren: Rassismus und Homosexualität.
Die Dame des Hauses (Julianne Moore) verliebt sich nicht einfach in einen viel jüngeren Gärtner, vielmehr in einen Schwarzen (Dennis Haysbert), während der Ehemann (Dennis Quaid) dem Hochprozentigen anheim fällt, weil er die eigene Homosexualität nicht wahrhaben will. Als er seine Gefühle nicht mehr länger verleugnen kann, setzt er eine Kette von unheilvollen Ereignissen in Gang.
Konsequent überzeichnend und gnadenlos stilisierend greift FAR FROM HEAVEN die Klischees der Fünfzigerjahre auf und evoziert die Frage, ob wir von den grauen Zeiten von damals nicht längst schon wieder eingeholt worden sind.
(nach: Presseheft; www.concorde-film.de; Falter 11/03)
Todd Haynes: „Es mag schon etwas verblüffen, dass jemand heute [...] ein 50er-Jahr-Drama dreht und es ernsthaft und unironisch inszeniert. Denn die stärksten Melodramen haben keine Actionhelden und keine Bösewichte, in ihnen verletzen sich die Personen deshalb ungewollt gegenseitig, weil sie ihrem Verlangen folgen. Wenn man den Bildern einer scheinbar unschuldigen Zeit wie den Fünfzigern brisante Themen wie Rassismus und sexuelle Abweichungen hinzufügt, dann zeigt sich, wie brisant diese Themen heute geblieben sind, und wie viel wir in dem gegenwärtigen Klima unreflektierter Stabilität von dieser vergangenen Ära wiederfinden.”
Goldener Löwe Filmfestspiele Venedig, Publikumspreis für Julianne Moore als beste Schauspielerin.

USA/Frankreich 2002; Regie und Buch: Todd Haynes; Kamera: Ed Lachman; Musik: Elmer Bernstein; DarstellerInnen: Julianne Moore (Cathy Whitaker), Dennis Quaid (Frank Whitaker), Dennis Haysbert (Raymond Deagan), Patricia Clarkson (Eleanor Fine), Viola Devis (Sybil) u.a.; (35mm; 1:1,85; Farbe; Dolby SRD; 107min; englische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Sa 13.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

BALZAC ET LA PETITE TAILLEUSE CHINOISE

BALZAC UND DIE KLEINE CHINESISCHE SCHNEIDERIN

R: Sijie Dai / OmU


Kann ein Huhn ein „bürgerliches Übel” sein? In dem abgelegenen chinesischen Bergdorf durchaus, in das die beiden 18-jährigen Studenten Luo und Ma in den 70er Jahren zur Umerziehung geschickt werden. Ihr Kochbuch aus der Stadt wird gleich vom Parteifunktionär als „bourgeoises Machwerk” entlarvt und verbrannt, und das gleiche droht dem Instrument des Violinisten Ma, das die Dorfbewohner argwöhnisch wie eine Bombe herumreichen. Der Chefideologe entscheidet, dass es auch ins Feuer gehört, aber dann rettet Ma die Situation, indem er eine Mozartsonate spielt und diese „Mozart denkt an den Führer Mao” nennt. Mit solch einem zärtlichen Spott hat noch kein chinesischer Intellektueller von der Kulturrevolution erzählt.
Der chinesische Regisseur Sijie Dai, der seit mehr als 15 Jahren im französischen Exil lebt, hat zusammen mit Nadine Perront seinen gleichnamigen Roman bearbeitet und selbst verfilmt. Dem Buch liegen eigene Erlebnisse in einem Umerziehungslager während der Kulturrevolution zu Grunde. Sijie enthält sich aller Bitterkeit, erzählt mit federleichter Ironie, lässt die unverbrauchten Gesichter seiner jungen DarstellerInnen sprechen und die Magie der still herrschenden Berglandschaft. Und wenn die beiden Studenten der Tochter des Dorfschneiders verfallen und sie bei Vorlesestunden aus einem heimlich beschafften Roman von Balzac verführen, verändert sich der Film von einer sanften Satire in eine romantische Komödie, die „Umerziehung” wird zu einer „éducation sentimentale”.
(nach: www.taz.de; www.berlinonline.de; Bernd Haasis)
„Vor einer atemberaubenden Naturkulisse zeigt uns Sijie Dai, welche Kraft Kunst und Kultur auf unser Leben haben können. (...) Im Gegensatz zum Roman endet Sijies Verfilmung mit einer Blende in die Gegenwart. Der inzwischen 40-jährige Liu kehrt aus dem französischen Exil noch einmal in das Dorf seiner Verbannung zurück. Der traurige Anlass: das Dorf und das gesamte Tal sollen einem gigantischen Staudamm weichen. Das Schlussbild von der Flutung wird zur berührenden Metapher für den Untergang einer Zivilisation und zugleich der Erinnerungslandschaft des Autors.” (Anne Wotschke)
„Die wunderbar von Jean Marie Dreujour fotografierte Betrachtung der kleinen Fluchten im Reich der Mitte unter Mao lässt Wehmut über den Verlust von Jugend spüren, aber vor allem die Liebe zum geschriebenen Wort, die zu allen Zeiten allen Diktaturen trotzt. Kein Wunder, dass die chinesische Zensur diesen Film noch unter Verschluss hält.”
(www.br-online.de)

Frankreich 2002; Regie: Sijie Dai; Buch: Sijie Dai, Nadine Perront, nach Dai Sijies gleichnamigem Roman; Kamera: Jean-Marie Dreujou; Musik: Wang Pujian; DarstellerInnen: Xun Zhou (Kleine Schneiderin), Kun Chen (Luo Ming), Ye Liu (Ma Jianling), Shuangbao Wang (Dorfvorsteher), Hong Wei Wang (Vier-Auge) u.a.; (35mm; 1:2,35; Farbe; Dolby SRD; 110min; ORIGINALFASSUNG – teils in Französisch, teils in Mandarin – MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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So 14.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

LOS LUNES AL SOL

MONTAGS IN DER SONNE

R: Fernando León de Aranoa / OmU


Eine Hafenstadt im Norden der spanischen Atlantikküste. Die großen Zeiten der Schiffsindustrie sind vorbei. Die Werften liegen verlassen in bester Küstenlage. Bulldozer rollen an, um Platz zu schaffen für rentable Neubauten. Für die Werftarbeiter hat längst ein anderes Leben begonnen. Aber Santa und seine ehemaligen Kollegen nehmen jeden Tag die Fähre über die Bucht.
LOS LUNES AL SOL erzählt aufrichtig, berührend, mit großer Sensibilität und Zärtlichkeit und immer wieder umwerfend komisch von Freundschaft und Solidarität in schwierigen Zeiten. Von Menschen, die sich ihren Witz und ihre Würde nicht nehmen lassen und auf ihrem Recht bestehen, glücklich sein zu wollen. Eine intelligente, warmherzige Tragikomödie über den täglichen Kampf gegen Windmühlen und den unbändigen Willen, nicht klein beizugeben. Auf dem Filmfestival San Sebastian als Bester Film und beim Spanischen Filmpreis Goya in fünf Kategorien ausgezeichnet, avancierte Fernando León de Aranoas LOS LUNES AL SOL zum Sensationserfolg in Spanien.
Fernando León de Aranoa: „Der Erfolg im Kino war so groß, dass viel über den Film und das Thema der Arbeitslosigkeit gesprochen wurde. Ab einem bestimmten Moment kam der Film nicht nur im Feuilleton, sondern auch in der politischen Berichterstattung und in den Talkshows vor. Natürlich kann ein Film das Problem der Arbeitslosigkeit nicht lösen, aber ich glaube, er hat dazu beigetragen, dass eine Debatte entstand.“
„Ein Arbeitslosen-Drama, das so aussieht, als hätte es Ken Loach mit viel Tequila inszeniert, oder als sei die englische Arbeitslosen-Posse GANZ ODER GAR NICHT noch einmal mit reichlich Tabasco gewürzt worden – mit wunderbaren Dialogen und einer szenischen Gestaltung, die souverän den weiten Spagat zwischen Humor und Tragik leistet.“
(Berliner Morgenpost)
„Das Wunderbare an diesem Film ist seine Gültigkeit, dieser Humor in melancholischen aber niemals sentimentalen Momenten der Niederlage. Diese Verlierer muss man einfach lieben!“ (AZ München)
„Ein filmisches Wunder! Ganz ernst und doch federleicht. Höchst amüsant und plötzlich wieder todtraurig. Eine emotionale Achterbahnfahrt, nach der man erschöpft und doch glücklich ist.“ (ND)
„Immer wieder überrascht die Leichtigkeit, mit der Fernando Leóns Film brillant zwischen Komödie und Drama wechselt und Situationen von umwerfender Komik schafft.“ (El Periódico)
„Ein großartiger Film, von befreiender Kraft und umwerfendem Charme!“ (El Pais)
Fernando León de Aranoa: „Ich denke, dass die Hoffnung auch im Humor steckt, im Widerstand der Figuren gegen den Verlust ihrer Identität. Ich glaube, das muss auch so sein. Wir sind alle ein wenig zur Hoffnung verpflichtet.“

Spanien 2002; Regie: Fernando León de Aranoa; Buch: Fernando León de Aranoa, Ignacio del Moral; Kamera: Alfredo Mayo; Musik: Lucio Godoy; DarstellerInnen: Javier Bardem (Santa), Luis Tosar (Josè), Nieve de Medina (Ana), Fernando Tejero (Lázaro), Aida Folch (Nata) u.a.; (35mm; 1:1,85; Farbe; Dolby SRD; 113min; spanische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Mo 15.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

IL POSTINO

DER POSTMANN

R: Michael Radford / OmU


Pablo Neruda, auf einer kleinen italienischen Insel im Exil, heuert den Sohn eines armen Fischers an, ihm die Post persönlich zuzustellen. Postbote Mario Ruoppolo führt bis zu diesem Zeitpunkt ein eher bescheidenes Leben, doch er träumt schon lange von großen Dingen. Zwischen ihm und dem Schriftsteller entwickelt sich eine tiefe Freundschaft, von der vor allem Mario profitiert: Er beginnt, sich für Poesie zu interessieren, und schafft es sogar, seine große Liebe Beatrice Russo mit seinen Gedichten zu beeindrucken.

Exiled from his homeland, the poet Pablo Neruda finds hospitality from his travels and settles down on little mediterranean island. Mario is the son of a fisherman is hired as Neruda‘s personal mailman and from that moment on he begins to weave a web around the poet. As time goes by the poet begins to soften-up and to speak with the young man and actually takes a liking to him. Neruda introduces Mario to his world of poetry. Both the use and writing of poetry turn out to be pathetic failures mostly because Mario‘s sole purpose for writing those poems was to soften the heart of Beatrice, a beautiful young woman whom Mario is in love with. Neruda and his poetry, reluctantly, play a very important role in bringing Mario and Beatrice together.

Frankreich/Italien/Belgien 1994; Regie: Michael Radford; Buch: Michael Radford, nach einem Roman von Antonio Skármeta; Kamera: Franco Di Giacomo; DarstellerInnen: Philippe Noiret (Pablo Neruda), Massimo Troisi (Mario Ruoppolo), Maria Grazia Cucinotta (Beatrice Russo) u.a.; (35mm; Farbe; 104min; ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Di 16.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

GHOST DOG: THE WAY OF THE SAMURAI

GHOST DOG: DER WEG DES SAMURAI

R: Jim Jarmusch / OmU


Ghost Dog (Forest Whitaker) lebt über der Welt, gewissermaßen, unter Tauben, in einer Hütte, die er auf dem Dach eines verlassenen Gebäudes errichtet hat. Er ist ein professioneller Killer, der im Dunkel der Nacht verschwinden und sich unbemerkt durch die Stadt bewegen kann. Als Leitfaden dient ihm ein alter Text der japanischen Kriegerkaste – „Das Hagakure: Der Weg des Samurai”. Gemäß dem Kodex des Samurai steht Ghost Dog mit seinem Meister und Auftraggeber, einem Mafioso, der ihm einmal das Leben rettete, in einem unverbrüchlichen Treueverhältnis. Als der Mafia ein Fehler unterläuft, glaubt sie, ihren Auftragnehmer eliminieren zu müssen. Ghost Dog ist aber nicht nur ein Killer, sondern auch ein ausgebildeter Krieger – und dem ist die Mafia nicht gewachsen. Schließlich manövriert sich Ghost Dog jedoch in eine ausweglose Situation, da er das Treueverhältnis, das Herr und Vasall verbindet, nicht brechen kann.
Jarmusch erzählt die Geschichte, in der drei sehr unterschiedliche Welten aufeinandertreffen – Mafia, japanische Samurai und Hip-Hop – linear auf ihr zwangsläufiges Ende zu. Dennoch ist sie alles andere als simpel, sondern erweist sich als voll von erstaunlichen Kleinstgeschichten, verblüffenden Einfällen und wundersamen Charakteren mit merkwürdigen Hobbys: Ghost Dog kommuniziert mit seinem Boss ausschließlich via Brieftauben; sein „bester Freund” ist ein Französisch sprechender Eisverkäufer, den er nicht versteht. Die Mafiosi stehen auf Rap-Musik und Jarmusch läßt sie – wie etwa Valerio – die Zahnbürste schwingend zu einem Song von Public Enemy rappen. (aus arthaus infodienst und www.variety.com)
„Dank Jarmuschs einzigartigem Stil und seiner Wahl der Schauspieler ist der Film weit mehr als eine Gangstergeschichte. Whitaker, Regisseur von Filmen wie WAITING TO EXHALE und HOPE FLOATS, spielt die Rolle des Auftragsmörders überzeugend. Seine absolute Stärke liegt jedoch in seiner physischen Präsenz: ein \\\'gentle giant\\\' der den japanischen Kodex des Samurai mit dem eines Profi-Killers perfekt vereint.” (David Bourgeois)
„Vor allem ist GHOST DOG ein Film über die Kunst des Lesens – wobei die zwischengeschalteten Schrifttafeln mit den Anweisungen des Samurai die Erzählweise des Stummfilms zitieren. Stummgeschaltet sind auch absurd gewalttätige Zeichentrickfilme, denen die Mafiosi in stummer Bewunderung ständig im Fernsehen folgen. Naturgemäß lassen die Samurai-Exzerpte manchmal an die üblichen Rezepte östlicher Lebenshilfe denken, Jarmuschs Film ist eben auch in dieser Hinsicht ein ausgesprochen literarischer, schriftgläubiger Film. Und selbst die immer wieder fliegenden Tauben erscheinen im Sound der absolut hinreißenden Drum’n’Bass-Musik von RZA grandios.” (Brigitte Werneburg)
RZA, Mitbegründer der neunköpfigen New Yorker Hip-Hop Crew Wu-Tang Clan, ist ein Multitalent – Komponist, Produzent, Rapper, Performer und Filmemacher in einer Person. Seine erfrischend originelle Musik machte ihn weltweit bekannt. Die Musik für GHOST DOG ist sein erster kompletter Score für einen Spielfilm.

USA 1999; Regie und Buch: Jim Jarmusch; Kamera: Robby Müller; Musik: RZA; DarstellerInnen: Forest Whitaker (Ghost Dog), Jon Tormey (Louie), Cliff Gorman (Sonny Valerio), Henry Silva (Vargo), Isaach de Bankolé (Raymond), Victor Argo (Vinny) u.a.; (35mm; 1:1,85; Farbe; Dolby SRD; 116min; englische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Mi 17.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

MARIA, LLENA ERES DE GRACIA

MARIA FULL OF GRACE

R: Joshua Marston / OmU


Viele Perspektiven hat die 17-jährige Kolumbianerin Maria nicht. Schwanger vom nichtsnutzigen Freund lebt sie in Armut mit Schwester und Mutter. In einem Wutanfall kündigt sie den Job in der Rosenplantage. Bei ihrer Suche nach Arbeit als Zimmermädchen in der Hauptstadt Bogotà kommt der Typ in der Lederjacke mit dem schnittigen Motorrad gerade recht. Er überzeugt Maria als „Mula“ (Maultier) Kurierdienste zu machen. Der Auftrag klingt einfach, ein paar Filmrollen schlucken, nach New York fliegen, sie hinten wieder ausscheiden und 100 Dollar pro Rolle kassieren. Finanziell hätte Maria so ausgesorgt. Sie schluckt 62 Kapseln Heroin. Sollte sich eine im Magen öffnen, bedeutet das den sicheren Tod. An Bord des Linienfluges sind noch andere lebende Container. Neben ihrer besten Freundin Blanca, die sich ebenfalls auf das Geschäft eingelassen hat, auch Lucy, eine erfahrene „Mula“. Ein schlaue Taktik der Schmuggler: Wird eine gefasst, ist die Flughafenpolizei abgelenkt, und die anderen reisen leichter ein.
Mit journalistischem Gespür und cineastischem Feingefühl schildert der amerikanische Filmemacher Joshua Marston in seinem Spielfilmdebüt keinen Krimi, sondern den gesellschaftssozialen Verlauf eines Verbrechens. „Keine wahre Geschichte“, sagt Marston. „Aber eine Geschichte, wie sie jeden Tag passiert.“ Marstons genaue Recherche sowie die herausragende Leistung der Hauptdarstellerin verleihen der Geschichte die nötige Tiefe zur vordergründigen Anklage gegen die Ausbeutung. Die von unbändigem Überlebenswillen geprägte Maria ist der Fixpunkt in einer unmenschlichen Welt. Mit dem Mut der Verzweiflung gerät sie in Teufels Küche und behält trotz allem ihre Menschlichkeit und Neugier.
Der Film bezieht seine Spannung – auch in den kritischen Momenten, auf der Flugzeugtoilette etwa oder bei der Einwanderungsbehörde – stets aus der Glaubwürdigkeit und aus dem sorgfältigen Blick, der eine junge Frau begleitet, die Schritt für Schritt lernt, auf eigenen Füssen zu stehen. So ist MARIA FULL OF GRACE nicht zuletzt dank der Hauptdarstellerin eine überzeugende Coming-of-Age-Story sowie ein packendes Zeitdokument.
(nach: www.outnow.ch, www.filmspiegel.de)
Joshua Marston: „Der Film dreht sich um einen Menschen, der versucht herauszufinden, wer er ist, und wo er hingehört. Es geht um Maria, die mit dem, was sie hat, nicht zufrieden ist. Sie sucht und sehnt sich nach etwas Anderem. Also entwickelten wir ein Manuskript, das zunehmend weniger von einem Maulesel und zunehmend mehr von einer jungen Frau handelte, die versucht auszubrechen und sich gegen eine Welt auflehnt, die sie einengt.“

Kolumbien/USA 2004; Regie und Buch: Joshua Marston; Kamera: Jim Denault; Musik: Jacobo Lieberman, Leonardo Heiblum; DarstellerInnen: Guilied López (Lucy), Catalina Sandino Moreno (Maria), Patricia Rae (Carla), Orlando Tobon (Don Fernando), John Álex Toro (Franklin), Johanna Andrea Mora (Diana), Wilson Guerrero (Juan), Fernando Velasquez (Pablo Arisiztabal), Jaime Osorio Gómez (Javier) u.a.; (35mm; 1:1,85; Farbe; Dolby SRD; 101min; spanische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Do 18.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

CONFIDENCES TROP INTÎMES

INTIME FREMDE

R: Patrice Leconte / OmU


Weil sie sich in der Tür geirrt hat, vertraut Anna (Sandrine Bonnaire) dem Steuerberater William (Fabrice Luchini) ihre Eheprobleme an. Da ihm ihre Nöte sehr zu Herzen gehen und er ihre Geständnisse aufregend findet, bringt er es nicht fertig, ihr die Wahrheit zu sagen: dass er nicht der Psychotherapeut ist, für den sie ihn hält.
Im Lauf der Zeit stellt sich zwischen den beiden ein seltsames Ritual ein, das mit jedem Geständnis ein engeres Band zwischen ihnen webt. William ist immer wieder aufs Neue bewegt und erfährt fasziniert Geheimnisse, die jede Frau für sich behalten würde und die außer ihm nie jemand erfahren wird. Aber wer ist Anna wirklich? Und durchschaut sie sein Spiel tatsächlich nicht?
Patrice Lecontes zwanzigster Spielfilm ist eine provokante Liebesgeschichte im Gewand eines Thrillers. Hitchcock´scher Suspense und Elemente des klassischen Hollywood-Melodrams verbinden sich mit den gängigen Themen moderner Beziehungsgeschichten – Lust, Angst, Obsessionen, Geheimnisse, Missverständnisse, Wandlungen – zu einem verspielten, spannenden Thriller.
Patrice Leconte: „Alles fängt mit einer Verwechslung an und entwickelt sich dann weiter auf dem schmalen Grat zwischen Geheimnis und Verlangen. (…) Ich mag es, dass man nicht auf Anhieb weiß, wer sich hinter dieser jungen Frau versteckt. Ist sie einfach nur unglücklich? Ist sie krankhaft verlogen? Alles scheint möglich. Sie behauptet, in größter Verzweiflung zu sein, aber vielleicht täuscht sie William nur. (…) Man muss mit dem äußeren Schein spielen und Zweifel zulassen.”
„CONFIDENCES TROP INTIMES ist ein durch und durch französischer Film, der im Mäntelchen des Film Noir daherkommt, ein Hitchcock ohne Mord und Totschlag, aber mit derselben Lust, die Dinge mit Bedeutung aufzuladen, bis sie zu platzen drohen – die Psychoanalyse dient dabei als Transformator. Wobei der Charme dieses Kammerspiels auf doppeltem Boden darin liegt, dass es aus einer Fehlleistung, an der auch Freud seinen Spaß gehabt hätte, einen ganzen Film strickt, ohne sie plattzutreten.” (Michael Althen)
„Patrice Leconte bleibt sich treu: Nach den subtilen Werken RIDICULE und LE MARI DE LA COIFFEUSE, die eine wunderbare Balance zwischen origineller Künstlichkeit und absolut lebensechten Zutaten hielten, kommen in seinem jüngsten Streich wiederum die genauen Beobachter und wachen MitdenkerInnen auf ihre Rechnung. So ernsthaft und vergnüglich lässt man sich gern in Noch-Ehe und Ex-Ehe-Probleme hineinziehen.” (Christof Ulrich)
„Patrice Leconte ist zärtlicher, geheimnisvoller, subtiler geworden und kann sich auf zwei hervorragende Komödianten verlassen, die es in Sachen Verführung einfach faustdick hinter den Ohren haben.” (Marli Feldvoss)

Frankreich 2003; Regie: Patrice Leconte; Buch: Jérôme Tonnerre; Kamera: Edouardo Serra; Musik: Pascal Estève; DarstellerInnen: Sandrine Bonnaire (Anna), Frabrice Luchini (William), Anne Brochet (Jeanne), Michel Duchaussoy (Doktor Monnier), Gilbert Melki (Marc) u.a.; (35mm; 1:2,35, Farbe; Dolby SRD; 104min; französische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Fr 19.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

THE LIFE AQUATIC WITH STEVE ZISSOU

DIE TIEFSEETAUCHER

R: Wes Anderson / OmU


Die Dreharbeiten zur letzten Unterwasser-Dokumentation von Steve Zissou, einem in die Jahre gekommenen Filmemacher, nahmen ein tragisches Ende: Sein langjähriger Partner Esteban wurde Opfer eines riesigen Jaguarhais. Und da Zissous einst so ruhmreiche Karriere ohnehin an einem toten Punkt angelangt ist, verkündet er auf der Pressekonferenz zur Filmpremiere, dass sein letzter Beitrag zur Meeresbiologie darin bestehe, diesen Hai, womöglich den letzten seiner Spezies, zur Strecke zu bringen. Der wissenschaftliche Zweck dieser Aktion? „Rache!“ Also begibt sich Zissou mit „Belafonte“, seinem rustikalen, aber charmanten Forschungsschiff, und einer bunten Crew auf hohe See.
Das alles ist allerdings nur ein schräg ausgedachter erzählerischer Vorwand – eine „imaginierte Form der Wirklichkeit“, wie Wes Anderson (RUSHMORE, THE ROYAL TENENBAUMS), einer der momentan originellsten Regisseure des amerikanischen Kinos, in einem Interview meinte. In der Folge werden in dem Film, der unter anderem eine Hommage an den Tiefseeforscher Jacques Cousteau ist, Anderson-typische Dreiecksbeziehungen variiert: „Irgendwie unterlaufen bestimmte Themen immer meine Kontrolle beim Schreiben und schleichen sich dann in die Geschichte ein.“ Außerdem müssen gefährliche Hochseepiraten in die Flucht geschlagen, ein eitler Rivale düpiert und auch ein verlorener Sohn in die „Familie“ eingeführt werden.
Mehr als von einer klaren Handlung lebt der Film von seinen Details, sei es der liebevollen Ausstattung, Figuren wie Willem Dafoes Klaus Daimler oder der absurd anmutenden Idee, auf portugiesisch gesungene David Bowie-Songs zu verwenden. Als Cousteau-Reinkarnation Steve Zissou ist Bill Murray einmal mehr die ultimative Verkörperung unerfüllter Sehnsüchte. Er ist einer, der das Leben mit leicht amüsiertem, leicht pikiertem Abstand betrachtet, nachdem es ihn einmal zu oft enttäuscht hat. An seiner Seite: Anjelica Huston in der Rolle der strengen Gattin. Umgeben von einigen Männern in schnittigen 60er-Jahre-Matroseuniformen und roten Cousteau-Pudelmützen holt sie im Zweifelsfall die Kohlen aus dem Feuer. (nach: Der Standard 16.3.05; DIE ZEIT 10.2.05; epd Film 3/05; www.programmkino.de)
„Dass wir es hier mit einer phantastischen Exploitation-Variante von Jacques Cousteau zu tun haben, mag schon früh klar gewesen sein. Wie ernst jedoch der Film diesen grotesk gewendeten Gegenentwurf nimmt, wie liebevoll er ihn ausarbeitet, zeigen gerade die Bilder, die sich THE LIFE AQUATIC vom Meer macht. Unter Wasser begegnen wir haarscharf an der Realität vorbei schwimmenden Wesen, die von Henry Selick im Stop-Motion-Verfahren kreiert wurden. Was unter Wasser lebt, ist nicht weniger phantastisch als die lapidare Herangehensweise des graubärtigen Kindes Zissou: ‚Nobody knows, what’s going to happen an’ then we shoot it – that’s the whole concept.’“ (Jan Distelmeyer)
Wes Anderson: „Natürlich, die Piratenattacke hat etwas Trashiges. Dieser Film benutzt zweifellos Genreelemente – er bleibt zwar nicht sehr lange innerhalb der Genreregeln, aber er pickt sich da und dort etwas heraus. Und was klassische Stop-Motion betrifft: Ich liebe dieses Handgemachte an MIGHTY JOE YOUNG oder auch an KING KONG.“

USA 2004; Regie: Wes Anderson; Buch: Wes Anderson, Noah Baumbach; Kamera: Robert D. Yeoman; DarstellerInnen: Bill Murray (Steve Zissou), Owen Wilson (Ned Plimpton), Cate Blanchett (Jane Winslett-Richardson), Anjelica Huston (Eleanor Zissou), Willem Dafoe (Klaus Daimler) u.a.; (35mm; 1:2,35; Farbe; Dolby SRD; 118min; englische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Sa 20.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

SILENTIUM

R: Wolfgang Murnberger


Gottlieb Dornhelm, der Schwiegersohn des Festspielpräsidenten ist nicht das erste, aber das bisher prominenteste Opfer, das tot am Fuß des Mönchsbergs gefunden wird. Brenner hat ganz andere Probleme. Ohne Wohnung, ohne Geld, ohne Job und ohne Frau sind seine quälenden Kopfschmerzen derzeit das einzige, worauf er sich verlassen kann im Leben. Doch Konstanze Dornhelm, die mondäne Witwe des Toten, engagiert Brenner, den Tod ihres Mannes aufzuklären. Und sie ist sicher, dass es Mord war. Hat der Tote doch vor kurzem einen Skandal heraufbeschworen, indem er sich öffentlichkeitswirksam an seine Jugendzeit im Knabenkonvikt erinnerte und an die besondere Art der „Erziehung“, die ihm sein damaliger Erzieher, der jetzige Erzbischof von Salzburg angedeihen ließ.

Österreich 2004; Regie: Wolfgang Murnberger; Buch: Wolf Haas, Josef Hader, Wolfgang Murnberger, nach einem Roman von Wolf Haas; Kamera: peter von Haller, Musik: Sofa Surfers; DarstellerInnen: Josef Hader, Simon Schwarz, Joachin Król, Maria Köstlinger, Udo Samel, Jürgen Tarrach, Rosie Alvarez, Georg Friedrich u.a.; (35mm; Farbe; 110min).


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So 21.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

GEGEN DIE WAND

R: Fatih Akin / OmU


Cahit, der lebensmüde Alkoholiker, und Sibel, das lebenshungrige Mädchen, begegnen einander in der Psychiatrie. Er hat seinen Ford Granada gegen die Wand gefahren, sie hat sich die Pulsadern aufgeschnitten, um ihrer traditionsverhafteten Familie zu entfliehen. Sie überredet ihn zu einer Scheinehe, er stimmt zu und fortan teilen die beiden eine Wohnung, aber nicht ihr Leben; bis sie sich ineinander verlieben, ohne es wahrhaben zu wollen. Dann erschlägt er im Affekt einen ihrer Liebhaber. Cahit geht für fünf Jahre ins Gefängnis, Sibel geht nach Istanbul. Nach der Haft reist er ihr nach, sie sehen sich wieder und es ist beinahe so, als könnte alles noch einmal von vorn anfangen.
Sieben Jahre nach KURZ UND SCHMERZLOS befindet sich Fatih Akin wieder in Höchstform. Nach den eher versöhnlichen Tönen von IM JULI und SOLINO kehrt der junge deutsch-türkische Regisseur in seinem vierten Film zur harten Sprache seines gefeierten Debüts zurück. Fernab jeglicher Multikulti-Romantik zeichnet er ein spannendes und authentisches Porträt des türkisch-deutschen Milieus, das von der Vertrautheit mit seinen Figuren und ihrem Alltag lebt. Darüber hinaus, und das macht Akin zu einer herausragenden Figur innerhalb der deutschen Filmszene, ist GEGEN DIE WAND ein Melodram von universeller Gültigkeit. Trotz der Verortung in einem klar begrenzten sozialen Milieu bieten die Charaktere genügend Raum für Identifikation. Und genau daraus und aus seiner Rauheit und Direktheit bezieht der Film seinen unwiderstehlichen Sog. Es ist die Liebe zwischen einer, die alles will, und einem, der mit allem abgeschlossen hat.
(nach: Presseheft; FAZ, 12.2.2004)
„Man kann von einem vielseitigen Filmemacher wie Fatih Akin schlecht erwarten, dass er sich immer mit dem deutsch-türkischen Culture-Clash beschäftigt, aber es ist doch großartig, dass er sich nach IM JULI und SOLINO nun erneut in dieses Spannungsfeld begibt. Niemand sonst kann das Milieu der deutschen Türken (oder türkischen Deutschen) so gut beschreiben wie er und erst recht niemand macht aus seinen Beobachtungen so wunderbares, großes Kino.“ (Sandra Vogell)
„GEGEN DIE WAND ist ein Film voller Feuer, dicht an den handelnden Personen orientiert. Und die schickt Akin auf Reisen, denn die Liebenden erkennen erst in der Distanz, was sie füreinander bedeuten. Es ist eine Katharsis, eine große blutige Läuterung, die sich der Filmemacher für seine Protagonisten ausgedacht hat.“ (www.kino-zeit.de)

Deutschland 2004; Regie und Buch: Fatih Akin; Kamera: Rainer Klausmann; DarstellerInnen: Birol Ünel (Cahit), Sibel Kekilli (Sibel), Catrin Striebeck (Maren), Meltem Cumbul (Selma), Güven Kiraç (Seref) u.a.; (35mm; 1:1,85; Farbe; Dolby SRD; 123min; Deutsch-Türkisch). Ausgezeichnet mit dem Goldenen Bären der Filmfestspiele Berlin 2004 und mit dem Preis des Internationalen Verbandes der Filmkritik


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Mo 22.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

MAR ADENTRO

DAS MEER IN MIR

R: Alejandro Amenábar / OmU


Ramón Sampedro liebt das Meer. In seinen Träumen fliegt er über Berge und Küstenlandschaften und taucht ein ins blaue Wasser, das ihm vor 27 Jahren fast das Leben nahm. Damals hatte er einen Unfall, als er ins Meer sprang und auf dem Boden aufschlug. Seither ist er vom Hals abwärts gelähmt und wünscht sich nichts sehnlicher als zu sterben. Aber für den Tod würde er Hilfe brauchen – und die wird ihm versagt.
Selten hat ein Film in Spanien so heftige Diskussionen ausgelöst wie MAR ADENTRO, der sämtliche Publikumsrekorde brach und innerhalb von vier Monaten vier Millionen ZuschauerInnen in die heimischen Kinos zog. Der Film beruht auf dem authentischen Fall des Spaniers Ramón Sampedro. Nach einem Badeunfall gelähmt, lebte er fast 30 Jahre in totaler Abhängigkeit von der Hilfe anderer und kämpfte öffentlich für sein Recht auf einen selbst bestimmten Tod. 1998 ging sein sehnlichster Wunsch endlich in Erfüllung. Nicht nur sein couragierter Feldzug bis vor das Oberste spanische Gericht, sondern auch sein 1996 erschienenes Buch „Cartas desde el infierno“ (Briefe aus der Hölle), eine Sammlung persönlicher Briefe und Petitionen, lösten in seiner Heimat und über die Landesgrenzen hinweg hitzige Kontroversen aus.
Hochsensibel nähert sich der spanische Regisseur Alejandro Amenábar (THE OTHERS) einer Geschichte, die eigentlich nicht verfilmbar ist. Wie sollen die ZuschauerInnen zwei Stunden lang von einer Hauptfigur gebannt sein, die vom Hals abwärts nichts mehr bewegen kann und ans Bett gefesselt ist? Das Kunststück gelingt Amenábar voll und ganz, weil er mit Hauptdarsteller Javier Bardem (BEFORE NIGHT FALLS) einen absoluten Besetzungscoup gelandet hat: Der Mann, von seiner Familie und FreundInnen liebevoll umsorgt, versprüht allein mimisch und verbal soviel Energie, dass man mühelos nachvollziehen kann, wie die Frauen, die sich um sein Krankenbett scharen, ihm reihenweise verfallen. So scheinbar deprimierend das Thema ist, so positiv und lebensbejahend ist dieser Film. Denn dass Ramón sterben will, beeinträchtigt nicht seine Freude an Begegnungen und Gesprächen, seine (wunderbar verfilmten) Tagträume und seine unerschütterliche Selbstironie. (nach: FAZ 12.1.05; www.br-online; David Siems; Hilka Sinning)
„Die Zurückhaltung, die der Kamera mehr Beobachtung als Kommentar zuschreibt, hält DAS MEER IN MIR konsequent durch und erreicht ein kleines Kunststück: Theatralische Effekte werden trotz des Rührthemas so gut wie vermieden, der sehr wichtige Musikeinsatz bleibt zurückhaltend und doch poetisch wie der Rest der Handwerklichkeit auch. Immerhin geht es um die wesentlichen lyrischen Topoi, um Tod und Leben, im Zentrum das Meer als existentielle Metapher: Ankunft und Abfahrt, Geburt und Vergehen, Sehnsucht nach Weite und Freiheit gegenüber der Fessel des Bettes. (...) Die sinnbildliche Seite der Bilder beherrscht Alejandro Amenábar meisterhaft. Die in Venedig und bei den Golden Globes gefeierte Tragödie um Euthanasie ist aufwühlend, gnadenlos gut gespielt und kontrovers dadurch, weil DAS MEER IN MIR durchaus als ‚Propaganda’ für würdevolles Sterben durch die Hilfe anderer gewertet werden kann. Oder ganz anders. Ein wichtiger, unsentimentaler Film allemal.“ (Flemming Schock)
Oscar 2005 in der Kategorie „Bester Fremdsprachiger Film“.

Spanien 2004; Regie und Buch: Alejandro Amenábar; Kamera: Javier Aguirresarobe; Musik: Alejandro Amenábar in Zusammenarbeit mit Carlos Nuñez; DarstellerInnen: Javier Bardem (Ramón Sampedro), Belén Rueda (Julia), Lola Dueñas (Rosa), Mabel Rivera (Manuela), Celso Bugallo (José), Clara Segura (Gené) u.a.; (35mm; 1:2,35; Farbe; Dolby SRD; 125min; spanisch-katalanisch-galizische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Di 23.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

DIE FETTEN JAHRE SIND VORBEI

R: Hans Weingartner


Weingartner bekam einen Anruf aus Paris von Thierry Frémaux, dem Festivalleiter von Cannes. Er habe den Rohschnitt des Films gesehen und sei begeistert. Er wolle den Film gern im Wettbewerb um die Goldene Palme zeigen, falls Weingartner sich durchringen könne, den Anfang etwas zu kürzen. Die meisten Jungregisseure der Welt hätten keinen Augenblick gezögert, aber Weingartner erklärte schlicht, das komme nicht in Frage – und überzeugte den Franzosen, den Film auch ohne Änderung zu akzeptieren. „Er ist ein sturer Bergmensch“, soll Frémaux hinter den Kulissen bemerkt haben, „aber das bin ich schließlich auch.“ Und so wurde, wie die Presse jubelte, ein 11-jähriger Bann gebrochen und endlich wieder ein deutscher Film in Cannes zum Wettbewerb zugelassen – sagen wir einmal ein deutsch-österreichischer, was den Vorarlberger Hans Weingartner eher kalt lässt. Das „Nationen-Tamtam” habe er beim Film noch nie verstanden.
Weingartners Film erzählt von drei jungen Menschen in Berlin, die nicht mehr ans Demonstrieren glauben, aber doch politisch aktiv werden möchten. Jan, Peter und Jules sind durchdrungen von einer unbestimmten Wut auf alles. Zu Hause in der WG wird über die Globalisierung, die Bonzen und die Verhältnisse überhaupt geschimpft. Nachts formieren sich die drei zu einer Art Individualguerilla, brechen in die Villen der reichen Zehlendorfer ein und arrangieren die Einrichtung zu antikapitalistischen Installationen: Möbeltürme im Wohnzimmer, Stereoanlage im Gefrierschrank, Porzellanfigürchen in der Kloschüssel. Zurück bleibt ein Zettel: „Die fetten Jahre sind vorbei“, unterschrieben mit „die Erziehungsberechtigten“.
Nach ein bisschen antikapitalistischem Spaß gerät das Trio aber ins Schlamassel. Die Dinge verkomplizieren sich, als Jule, Peters Freundin, sich in Jan verliebt. Eines Abends bricht Jan mit Jule in die Villa von Hardenberg ein, dem Mann für dessen Auto Jule durch einen Unfall 100.000 Euro abbezahlen muss. Als der Hausherr unerwartet auftaucht, wird er von den Dreien kurzer Hand in eine Tiroler Berghütte entführt. Es kommt zu einem Generationenclash zwischen den jungen Rebellen von heute und dem Millionär, der 1968 auch an den Studentenprotesten beteiligt und mit Rudi Dutschke befreundet war.
Die Dialoge werden bei Weingartner improvisiert. Oder er schreibt sie kurz vorher, arbeitet sie mit den DarstellerInnen um und dreht dann. Überraschend komisch und mit hervorragenden SchauspielerInnen verknüpft Weingartner in spannenden Gesprächen ein Porträt zweier Generationen mit einer Dreiecksgeschichte um zwei Jungs, die sich um ein Mädchen streiten. Der Film stellt Fragen über die Überlebensfähigkeit von Idealen und über die Schwierigkeit, heutzutage politisch zu rebellieren, wo mittlerweile sogar Che Guevara T-Shirts vom Establishment einverleibt worden sind. „Was früher subversiv war, kannst du heute im Supermarkt kaufen“, sinniert Jan.
(nach: www.sueddeutsche.de; www.kino-zeit.de; Sascha Rettig; Andreas Kilb; Hanns-Georg Rodek; Nicola Kuhrt)
Hans Weingartner: „Der Film hat viel mit den letzten zehn Jahren meines Lebens zu tun, in denen ich mehrfach versucht habe, politisch aktiv zu werden und mehrfach gescheitert bin. Ich wollte immer Teil einer Jugendbewegung sein, aber ich habe nie wirklich eine gefunden.“

Cine Tirol war bei der Produktion von DIE FETTEN JAHRE SIND VORBEI finanziell beteiligt. Einer der Drehorte im Film ist die Kotalm bei Achenkirch in Tirol.

Weingartner, der vor seiner Ausbildung an der Kölner Hochschule für Medien Physik und Neurochirurgie studiert hatte, konnte bereits mit seinem Debüt DAS WEISSE RAUSCHEN (2002) zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Max-Ophüls-Preis, gewinnen. Nun, bei DIE FETTEN JAHRE SIND VORBEI, greift er auf das Modell seines Erfolgs zurück und beschränkt sich auch diesmal auf kleine Sets, setzt kaum künstliches Licht ein, arbeitet mit flexibler Digitaltechnik und richtet seine absolute Konzentration auf die Schauspieler.

„Eigentlich geht es in DIE FETTEN JAHRE SIND VORBEI um zwei urfranzösische Themen: erstens die Revolution, zweitens eine Dreiecksgeschichte. Kein Wunder, dass Cannes darauf angesprungen ist.“ (Hans Weingartner)

Deutschland/Österrreich 2004; Regie: Hans Weingartner; Buch: Katharina Held, Hans Weingartner; Kamera: Daniela Knapp, Matthias Schellenberg; Musik: Andreas Wodraschke; DarstellerInnen: Daniel Brühl (Jan), Stipe Erceg (Peter), Julia Jentsch (Jule), Burghart Klaussner (Hardenberg), Peer Martiny (Villenbesitzer), Petra Zieser (Villenbesitzerin)u.a.; (35mm – von Video übertragen; Farbe; Dolby SRD; 126min).


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Mi 24.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

DIARIOS DE MOTOCICLETA

THE MOTORCYCLE DIARIES

R: Walter Salles / OmU


Im Januar 1952 steigen zwei junge Argentinier in Buenos Aires auf ein altes Motorrad, um gemeinsam den südamerikanischen Kontinent zu erkunden. Der eine, Alberto Grando, ist Biochemiker, der andere, Ernesto Guevara de la Serna, studiert Medizin. Sein Porträt wird später, nach seinem frühen Tod, in allen Studentenbuden der westlichen Welt hängen, überschrieben mit seinem Kampfnamen Che Guevara.
Der Film von Walter Salles beginnt als großbürgerliche Idylle. Die beiden Freunde fahren zu einer Hazienda von Guevaras Verwandten, wo der schöne Ernesto seine Kusine bezirzt, bevor er mit Alberto weiterzieht, gebrochene Herzen und unhaltbare Versprechen hinterlassend. Doch je länger die Reise dauert, je tiefer die beiden in die Einöden und Urwälder Patagoniens eindringen, desto deutlicher erscheint die bittere Realität Südamerikas.
Es ist ein Kontinent der Armut, ein Reich der Tagelöhner und Kleinpächter, der entwurzelten Indios, der Klassenherrschaft und der Korruption. Man könnte das alles in prächtigen Farben schildern, aber Salles hat sich dafür entschieden, das allgemeine Elend nur am Rande aufblitzen zu lassen – in Standbildern beinahe, von Bauern und einfachen Arbeitern, die kurz in ihrem Tagesablauf innegehalten haben, um einfach in die Kamera zu blicken. Dabei stellen sie ihre wettergegerbten Gesichter zur Schau, von denen jedes auch ohne Worte eine Geschichte erzählt.
Als die beiden Reisenden mit einem Boot zu einem Arbeitsaufenthalt zu der im Herzen des Amazonas gelegenen Lepra-Kolonie aufbrechen, hat sich ihre Einstellung ihren Mitmenschen und ihrer Umwelt gegenüber bereits grundlegend verändert. Entgegen der Anweisungen der Nonnen, die das Sanatorium leiten, mischen sie sich unter die Kranken. An seinem 24. Geburtstag entschließt sich Ernesto, den Amazonas zu durchschwimmen, um am anderen Ufer mit den Lepra-Kranken zu feiern.
THE MOTORCYCLE DIARIES überblendet zwei verschiedene Erinnerungen, die geschönte, nachträglich überhöhte des Berufsrevolutionärs Che Guevara (aus seinem Buch „Reisenotizen“) und die authentischen Tagebuchaufzeichnungen seines Freundes Alberto Granado.
Walter Salles: „Von allen Autoren, die ich im Vorfeld getroffen habe, hatte José die genaueste Vorstellung, worum es in diesem Drehbuch gehen sollte. Was ihn interessierte, war, diesen einzigartigen Charakteren, diesen Ikonen, menschliche Züge zu verleihen. Es geht um acht ausschlaggebende Monate im Leben dieser jungen Männer, in denen sie mit einer Realität konfrontiert waren, die sich komplett von der unterschied, die sie von ihrem städtischen Leben in Argentinien gewohnt waren. Eine Realität, die sie vor die Wahl stellte, welchen Weg sie einschlagen sollten. (...) DIARIOS DE MOTOCICLETA erzählt die Geschichte zweier junger Männer, deren Entdeckungsreise durch einen unbekannten Kontinent gleichzeitig zu einer Selbstfindungsreise wird. Zentrales Thema des Films sind die emotionalen und politischen Entscheidungen, die wir im Laufe des Lebens treffen müssen. Es geht außerdem um Freundschaft und Solidarität. Und schließlich darum, seinen Platz im Leben zu finden, einen, für den es sich lohnt zu kämpfen.“
Am Schluss dieser Reise steigt der junge Che – für immer verändert – in ein Flugzeug Richtung Heimat. „Ich werde über einiges nachdenken müssen“, meint er noch abschließend zu seinem Freund. Dass er das getan hat und was dabei herausgekommen ist, wissen wir.
(nach: Matthias Huber; Andreas Kilb)

Argentinien 2004; Regie: Walter Salles; Buch: José Rivera; Kamera: Eric Gautier; Musik: Gustavo Santaolalla; DarstellerInnen: Gael García Bernal (Ernesto Guevara), Rodrigo de la Serna (Alberto Granado), Mía Maestro (Chichina Ferreira); (35mm; 1:1,85; Farbe; Dolby SRD; 125min; spanische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Do 25.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

MILLION DOLLAR BABY

R: Clint Eastwood / OmU


Frankie Dunn ist ein Urgestein des Boxens, fast sein gesamtes Leben hat er als Trainer und Manager von Boxlegenden im Ring verbracht. Eine Karriere voller Höhepunkte, doch sein Privatleben ist eine Katastrophe. Mit seiner eigenen Tochter hat er sich vor Jahren bereits überworfen und deshalb keinerlei Kontakt mehr zu ihr. Dementsprechend zurückgezogen lebt er auch; gemäß seinem Credo als Trainer, dass es das allerwichtigste ist, dass die eigene Deckung stimmt, lässt er kaum jemanden an sich heran, nur der Ex-Boxer Scrap darf sich sein Freund nennen.
Eines Tages taucht unvermutet Maggie Fitzgerald in Frankies Box-Zentrum auf und obwohl er zunächst ablehnt, sie zu trainieren, überzeugt ihn schließlich Maggies Beharrlichkeit. Wie Frankie hat sie sich aus zerrütteten Verhältnissen hochgekämpft. Aus dem Kampf der beiden miteinander wird mehr und mehr eine Freundschaft, die sich schnell zu einer Art Ersatzfamilie entwickelt, mit der Frankie und Maggie die (inneren) Verwundungen ihrer jeweils eigenen Familie kompensieren können. Allerdings ahnen beide noch nicht, dass der Kampf, auf den hin sie trainieren, einer um Leben und Tod sein wird.
Natürlich – ein Boxerfilm unter der Regie von Clint Eastwood, das ist im ersten Moment nicht gerade das, was ein Cineasten-Herz höher schlagen lässt. Doch Eastwood läuft hier zu ungeahnten Höhen auf: Er inszeniert ein gefühlvolles Drama, das mit einem bemerkenswerten Twist aus dem Boxerdrama eine emotional stimmige und berührende Geschichte macht. Ein echtes Stück klassisches Hollywood-Erzählkino, das es heute in dieser Form kaum mehr gibt.
Schon seit den Gründertagen des amerikanischen Kinos hat der Boxsport in Hollywood Tradition. Bereits Charlie Chaplin, Buster Keaton und Stan Laurel stiegen in den Ring, rund zwanzig Jahre bevor der Film Noir die faszinierende Mischung aus Erfolg, Kampf, Geld und Schmerz unter die Lupe nahm.
Seither haben Stanley Kubrick, John Huston und Martin Scorsese ihre jeweiligen Boxfilme gedreht, und nun widmet sich auch der alte Haudegen Eastwood diesem archaischen Thema. Das Boxmilieu zeigt Eastwood dabei schmucklos, die Trainingshalle, in der der Putz von den einst weiß getünchten Wänden bröckelt, hat schon bessere Tage erlebt. Mit seinem langsamen Erzählfluss und ruhigen, oft dunklen Bildern inszeniert MILLION DOLLAR BABY keine schlichte Aufstiegsgeschichte, sondern ist vielmehr ein Film geworden über gewonnene und verlorene Kämpfe, über den einen Kampf zuviel, den mancher führt, ein Film über Gefühle und ein großartiges Schauspielermovie. Denn was Hilary Swank, Clint Eastwood und Morgan Freeman hier vorführen ist Schauspielkunst der Spitzenklasse.
(nach: www.kino-zeit.de, www.programmkino.de)

USA 2004; Regie: Clint Eastwood; Buch: Paul Haggis, F.X.Toole; Kamera: Tom Stern; Schnitt: Joel Cox; Musik: Clint Eastwood; DarstellerInnen: Clint Eastwood (Frankie Dunn), Hilary Swank (Maggie Fitzgerald), Morgan Freeman (Eddie Scrap-Iron Dupris) u.a.; (35mm; 1:2,35; Farbe; Dolby SRD; 132min; englische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Fr 26.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

UN LONG DIMANCHE DE FIANÇAILLES

MATHILDE – EINE GROSSE LIEBE

R: Jean-Pierre Jeunet / OmU


Audrey Tautou und der Regisseur, der sie als „Amélie” berühmt gemacht hat, haben wieder gemeinsam einen Film gedreht: Jean-Pierre Jeunets (DELICATESSEN, DIE FABELHAFTE WELT DER AMÉLIE) neuer Film spielt während des Ersten Weltkriegs bzw. im Paris der goldenen Zwanzigerjahre. Audrey Tautou ist die junge liebende Mathilde, die ihren Verlobten um jeden Preis wiederfinden will, und das, obwohl die Meldung über seinen Tod an der Front längst bei ihr eingetroffen ist. Doch sie will nicht an die Nachricht glauben. Ihr Glaube ist unerschütterlich, die Hoffnung gibt ihr Kraft, unbeirrbar besteht sie auf ihrer optimischen Grundstimmung. So verfolgt sie ihr Ziel bis zum Ende und nimmt diejenigen für sich ein, die ihr helfen könnten. Wer sich weigert, den ignoriert sie einfach. Indem sie der Wahrheit näher kommt, erlebt sie das Grauen des Krieges und die von ihm Betroffenen hautnah: Wer diese Erfahrung übersteht, wird als anderer Mensch aus ihr hervorgehen.
Jean-Pierre Jeunet: „Zunächst handelt es sich um eine wunderbare, mitreißende und sehr originelle Geschichte über eine junge Frau, die den Tod ihres Geliebten einfach nicht akzeptiert, obwohl alle Beweise das Gegenteil belegen. Aber darüber hinaus entdeckte ich auch viele meiner ständigen Themen und Vorlieben darin wieder: Ich interessierte mich immer schon für den Krieg von 1914–18 und das Paris der Zwanzigerjahre. Obwohl es um grässliche Ereignisse geht, wird diese gesamte Epoche von einer Atmosphäre der Unschuld und Fantasie geprägt.“
„Wie die junge Frau an den Tod ihres Geliebten einfach nicht glauben will, mit List und mit unglaublicher Hartnäckigkeit eigene Nachforschungen unternimmt, weil sie spürt: Manech ist irgendwo noch am Leben, das erzählt Jean-Pierre Jeunets aufwühlendes Meisterwerk gegen die Brutalität des Kriegs – mit eindrücklichem Dekor (der Mief der Schützengräben im Gegensatz zum bezaubernden Paris von 1919) und einer superben Audrey Tautou in der Hauptrolle.“ (Ludwig Hermann)

Frankreich 2004; Regie: Jean-Pierre Jeunet; Buch: Jean-Pierre Jeunet, Guillaume Laurant, nach dem Roman von Sebastien Japrisot; Kamera: Bruno Delbonnel; Musik: Angelo Badalamenti; DarstellerInnen: Audrey Tautou (Mathilde), Gaspard Ulliel (Manech), Dominique Pinon (Sylvain), Clovis Cornillac (Benoît Notre-Dame), Jérôme Kircher (Bastoche), Julie Depardieu (Véronique Passavant), André Dussollier (Rouvières), Ticky Holgado (Germain Pire) u.a.; (35mm; 1:2,35; Farbe; Dolby SRD; 134min; französische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


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Sa 27.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

RAY

R: Taylor Hackford / OmU


Feinster Jazz gemischt mit der Lebensgeschichte eines der spektakulärsten Musiker des letzten Jahrhunderts: Ray Charles. Sein Kampf gegen die Rassentrennung kommt zwar nur am Rande des Films vor, dafür gibt es außer cooler Musik die Story seines Aufstiegs vom ländlichen Florida ins angesagte Seattle. Talent und harte Arbeit, Lebenserfahrung und Schicksalsschläge verarbeitet Ray Charles in seiner Musik – und wir erleben ihn, wie er sich abmüht seinen eigenen Stil zu finden, wie er soziale Widerstände überwindet und schließlich bei Atlantic Records einen Schallplattenvertrag bekommt. Wir begleiten ihn bei seinem triumphalen Weg zum gefeierten Weltstar. Doch es war nicht nur eine Zeit des Erfolgs und Ruhmes – auch zahllose Liebesaffären und Drogen spielten in seinem Leben eine große Rolle.

USA 2004; Regie: Taylor Hackford; 152min; engl OmU


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So 28.08.2005 Open Air Kino im Zeughaus

THE BIG LEBOWSKI

R: Joel Coen / OmU


Lebowski, der sich ‚The Dude‘ nennt, und seine Freunde Walter, ein Vietnamkriegsveteran, und der etwas einfältige Donny hängen herum, spielen Bowling und gehen einander hin und wieder ziemlich auf die Nerven. Dude’s Lieblingsgetränk ist so trübe wie er selbst träge: White Russian – Wodka, Cachaca und Milch auf Eis.
Der Dude kennt keinen Ehrgeiz; Tatendrang ist ihm fremd. Und doch wird er zum unfreiwilligen Protagonisten einer Gangsterstory, die ausgerechnet ihn zum Handeln zwingt.
Der Dude ist nicht „The Big Lebowski”, teilt mit dem Multimillionär aber Vor- und Nachnamen. Das führt natürlich zu Mißverständnissen, und so pinkelt eines Tages ein Geldeintreiber fälschlicherweise auf den Teppich des „trägsten Menschen von L.A.”. Eine leichte Unruhe hält daraufhin Einzug in das stumpfe Abhängen; vor allem, als die Frau des Millionärs entführt wird und der Dude als Kurier bei der Lösegeldübergabe engagiert wird.

USA 1998; Regie: Joel Coen; Buch: Ethan Coen & Joel Coen; Kamera: Roger Deakins; Musik: Carter Burwell; DarstellerInnen: Jeff Bridges (The Dude), John Goodman (Walter Sobchak), Julianne Moore (Maude Lebowski), Steve Buscemi (Theodore Donald ‚Donny‘ Kerabatsos), David Huddleston (The Big Lebowski) u.a.; (35mm; 1:1,85; Farbe; 117min; englisch-deutsch-hebräisch-spanische ORIGINALFASSUNG MIT DEUTSCHEN UNTERTITELN).


 

 

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29. Juli bis 28. August 2005








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